Ein weiterer Band des Psychiatrie Verlags in der Reihe Basiswissen – kleine Bücher, die auf 144 Seiten ein Thema auf den Punkt bringen und differenziertes Grundwissen vermitteln.
Entsprechend formuliert Andreas Knuf das Anliegen, das Thema Empowerment möglichst konkret, alltagsnah und lebendig zu beschreiben und damit Anregungen für Berufsanfänger und erfahrene psychiatrisch Tätige zu bieten. Um es vorweg zu nehmen: Dies ist ihm hervorragend gelungen.
Knuf bleibt nicht dabei stehen, bekannte Empowermenttheorien komprimiert zusammenzustellen, viel eher lotet er differenziert aus, wie sich Gesundung und Wachstum an einer Krankheitserfahrung vollziehen kann. Dabei wird Empowerment eng mit dem Recoveryansatz verknüpft, in dem es darum geht, die vielen gesunden Seiten zu leben und die Erkrankung soweit beeinflussen zu können, dass sie nicht das Leben beherrscht. Der thematische Bogen spannt sich von der Bedeutung von Hoffnung und Mut über Selbststigmatisierung bis hin zu Selbsthilfe und Partizipation.
Im Mittelpunkt steht die Frage, welchen Beitrag Professionelle dazu leisten können, Betroffene auf diesem Weg zu unterstützen. Dass dies nicht nur eine Methodenfrage ist, wird gleich zu Beginn deutlich gemacht. Ressourcenorientierte Begleitung erfordert zunächst und immer wieder neu, den defizitorientierten Blick zu überwinden, denn professionelle Hilfe ist in der Regel über Defizite legitimiert, darüber, dass etwas fehlt, dass ein Problem besteht.
Das Buch lädt dazu ein, die Bedingungen zu überprüfen, unter denen Empowerment gefördert werden kann. Die Bereitschaft, die Selbstwahrnehmung der Betroffenen zu unterstützen, die Professionellen besonders bei der Frage der Medikation schwerfällt, wird dabei ebenso hervorgehoben, wie die Sensibilität für individuelle Entwicklungsschritte.
Knuf betont, dass auch Selbstbestimmung gelernt sein will und nicht jeder Psychiatrie-Erfahrene die Spielräume sofort nutzt, die ihm geboten werden. "Erlernte Hilflosigkeit", das Selbstwirksamkeitsgefühl, und "Selbststigmatisierung" als übernommene Fremdstigmatisierung sind Faktoren, die den Empowermentprozess beeinträchtigen können. Motivation zu Veränderung ist daher nicht Bedingung, sondern Ergebnis von Empowerment.
Das Buch legt nahe, sich nicht als Empowerment verschreibende Reiseagentur zu verstehen, sondern als Empowerment ermöglichender Reisebegleiter, d. h.: ermutigen, Hoffnung geben, sich gemeinsam auf Schatzsuche nach Selbsthilfemöglichkeiten begeben und dabei Informationen bieten, die der Entscheidungsfindung dienen und nicht der Compliance. Dass Empowermentförderung nicht nur im direkten Kontakt mit Psychiatrie-Erfahrenen, sondern auch auf struktureller Ebene im Sinne von Partizipation gefördert werden kann, wird am Ende herausgestellt.
Zu der Möglichkeit der indirekten Beteiligung z. B. durch Nutzerbefragungen werden Kriterien genannt, die im Sinne von Empowerment zu berücksichtigen sind. Auch vielfältige Anregungen zu direkter Partizipation werden geliefert z. B. die Mitbestimmung über Öffnungszeit oder die Einstellungen von Personal, aber auch die Einrichtung von Beschwerdestellen oder die Beschäftigung von Fürsprechern. Weitergehende Ansätze sind die Beteiligung von Psychiatrie-Erfahrenen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung oder die Beschäftigung von Psychiatrie-Erfahrenen als Mitarbeiter in psychiatrischen Diensten.
Der große Wert dieses kleinen Bandes liegt darin, dass das Thema Empowerment nicht nur theoretisch erörtert wird. Durch die einfache, aber differenzierter Sprache, durch viele Beispiele, praktische Anregungen, Methodenhinweise und Reflexionsübungen werden dem Leser vielfältige Anregungen vermittelt, Empowerment zu ermöglichen. So ist ein alltagsfähiges Handbuch von großer Praxisrelevanz entstanden, wie es selten zu finden ist.
Jörg Utschakowski in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 12.04.2024