Emotionen können Wegweiser dafür sein, ob uns das, was wir (gerade) erleben oder tun, guttut und uns mit Freude erfüllt, oder ob es uns schadet und möglicherweise in Krisen stürzt. Wenn Letzteres der Fall ist, dann sollten wir versuchen, die Gefühle zu beeinflussen, sie zu verändern und die Wegweiser – mit oder ohne therapeutische Hilfe – in eine andere Richtung zu bringen.
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit den Emotionen Schuld und Scham als Indikatoren für seelische Gesundheit. Neigen Sie eher zu Scham- oder zu Schuldgefühlen? Kennen Sie den Unterschied zwischen den beiden? Nun, die beiden Autorinnen erklären diesen! Sie vermitteln den Leserinnen und Lesern Erkenntnisse und informieren über die definitorische Rahmung von Schuld und Scham, über die Unterschiede zwischen den beiden Gefühlen und über deren Entstehungshintergründe. Dabei beziehen sie sich auf familiäre, kulturell-gesellschaftliche und religiöse Aspekte und fokussieren dabei insbesondere auf frühkindliche familiäre Zusammenhänge und Einflüsse.
Wir lernen etwas über die Normalität der Gefühle Schuld und Scham, die ein jeder und eine jede kennt, über die Angemessenheit der Gefühle, die zum (sozialen) Leben mit einhergehenden Werten und Normen gehören. Aber auch über die Fallstricke und das konflikthafte Leiden an diesen Gefühlen, sich über Gebühr schuldig und für alles verantwortlich zu fühlen, sich zu schämen und immer wieder in Grund und Boden zu versinken vor Scham. Dieses Scham- und Schulderleben kann zu psychischen Störungen führen und in vermeintlich unentrinnbare Sackgassen mit nicht enden wollendem Grübeln.
Doch es gibt meistens Auswege: Mit vielen wertvollen Erklärungen verhilft dieses Buch zu Erkenntnissen und zur reflexiven Auseinandersetzung mit sich selbst. Es ist im wahren Sinne des Wortes ein Selbsthilfebuch, unterstützt es doch nicht nur durch fundierte Wissensvermittlung, sondern auch durch anschauliche Fallbeispiele und durch anregende Übungen – die übrigens auch alle downloadbar sind –, den eigenen Schuld- und Schamgefühlen und dem Erleben auf die Schliche zu kommen. Schon dadurch gehen die Leserinnen und Leser in Auseinandersetzung mit sich selbst, was in den Folgekapiteln vertieft wird und dazu verhilft, die individuellen Scham- und Schuldreaktionen verändern zu lernen.
Auf der Basis der Selbstakzeptanz, Selbstfürsorge und Selbstliebe wird der Leser, die Leserin dazu angeleitet, Ziele für die Zukunft zu entwickeln, eigene Bedürfnisse zu erkennen und Selbstbewusstsein im Neinsagen und Grenzen zu entwickeln. Die Wertschätzung für das eigene Selbst wird in diesem Teil des Buches großgeschrieben und verstärkt positiv. Das Achtsamkeitsthema darf an dieser Stelle nicht fehlen und wird bedient. Die Autorinnen merken an, dass dieses Buch keine Therapie ersetzen kann, dennoch unterstützt es und kann auch in der Krise begleiten.
Was mir besonders gefallen hat, sind die Metaphern und lustigen Bilder in diesem Buch: Da wird von Scham und Schuld als einem Wasserball gesprochen, der immer wieder mühsam unter Wasser gehalten werden muss, vom alten Heimatfilm, der auf unserem individuellen Computer Schuld und Scham abgespeichert hat, und wie wir diese Gefühle in der Kindheit erduldet, bekämpft oder vermieden haben.
Auch das eigene Gartenhäuschen mit Garten, in den ich Menschen einlade, wie sich diese verhalten und wie ich ihnen wertschätzend und dennoch meine Bedürfnisse achtend begegnen kann, spielen eine Rolle. Kurz, wenn Sie etwas über Schuld und Scham wissen, etwas verändern und dabei methodisch vorgehen wollen, dann sollten Sie dieses Buch kaufen!
Gabriele Tergeist in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 12.04.2024