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Psychiatrie Verlag

Den Tod überleben

Mit seiner Lebenskunstphilosophie geht der Philosoph Wilhelm Schmid den Fragen und Aufgaben des alltäglichen Lebens auf den Grund. Sein neuestes Buch nähert sich nun dem Phänomen des Todes. Dies geschieht auch aus einem persönlichen Schicksalsschlag heraus: dem Tod seiner Ehefrau, mit der er viele Jahrzehnte sein Le­ben teilte. Er schreibt gegen die Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit an, die mit diesem Verlust verbunden ist.

Für den Hinterbliebenen stehen wichtige Fragen an: »Was ist mit meinem eigenen Leben? Was kann daraus noch werden? Ist es mir möglich, im vollen Bewusstsein des Todes das Leben zu lieben?« (S. 9) Diesen Ungewissheiten gilt es, sich zu stel­len. Schmid schaut kritisch darauf, dass viele Menschen angesichts des Todes in der Schockstarre verharren. Er selbst sucht bei aller Traurigkeit und Erschütterung nach Zuversicht: »Dass wir uns in energetischer Form weiterhin nahe sind, spüre ich Tag für Tag, wo immer ich auch bin.« (S.8)

Das Buch zeigt auf, dass der Mensch dem Sterben und dem Tod nicht aus dem Weg gehen kann. Nicht nur, dass das eigene Leben ein Ende finden wird. Das Unfassbare habe er aus nächster Nähe miterlebt, näher komme der Tod nur, wenn es der eigene sei, zeigt sich Schmid überzeugt.

Auch in »Den Tod überleben« greift Schmid wieder seine Themen aus dem Fundus des Alltags. Damit lässt er den philosophischen Elfenbeinturm hinter sich, zeigt seine eigene Integrität, bleibt bei dem Mensch, dem er sich sicher auch verbunden fühlt. Bei dem vielen Nachdenken über das Sterben und den Tod führt Schmid vor, wie wichtig geistige Prozesse sind, um den Lebensalltag zu bewältigen. Überzeugend ist, dass Schmid auf philosophischen Pfaden bleibt. Religiösen Unwägbarkeiten stellt er sich nicht.

Sehr nachdenklich stimmen Schmids Überlegungen zum Trost: »Am meisten Trost aber braucht die Erfahrung der Tragik, der Unabänderlichkeit, die einem Menschen bewusst wird, wenn eine Wirklichkeit endgültig besiegelt ist und keine Möglichkeit mehr offensteht, etwa bei einer unheilbaren Krankheit.« (S. 112) Bei dem Bedürfnis nach Trost gehe es um energetische Gründe. Trost brauche derjenige, »dessen Le­bensenergie geschwunden ist« (S. 113).

Mit dem Buch »Den Tod überleben« stellen sich die Leserinnen und Leser einmal mehr einer existenziellen Frage des alltäglichen Lebens. Fernab jeder Rechthaberei, vielmehr auf der notwendigen Suche nach dem Sinn zeigt sich Schmid als Wegbe­gleiter, das manchmal Unfassbare erträglicher zu machen.

Christoph Müller in Psychosoziale Umschau

Letzte Aktualisierung: 17.07.2024