»Generation Angst« thematisiert die Auswirkungen digitaler Technologien, insbesondere sozialer Medien und Smartphones, auf die psychische Gesundheit der jüngeren Generation. Jonathan Haidt zufolge sind die Kommunikationsmittel zu einem groß angelegten Experiment an den Kindern geworden, dessen langfristige Folgen noch nicht vollständig absehbar sind. Besonders bei der »Generation Z« würden diese Auswirkungen deutlich.
Haidt argumentiert, dass die Zunahme psychischer Störungen wie Depressionen, Angststörungen und sozialer Isolation bei Jugendlichen direkt durch den verstärkten Einsatz von Smartphones und sozialen Medien verursacht würde. Er sieht die Ursache in vier Hauptbereichen: soziale Deprivation, Schlafmangel, fragmentierte Aufmerksamkeit und die süchtig machende Natur von Apps wie Instagram und TikTok. Haidt glaubt, dass diese Faktoren zusammenwirken, um eine schädliche »Neuverdrahtung« des jungen Gehirns zu verursachen – und das in einer prägenden Phase der Entwicklung.
Aber ist die Situation wirklich so dramatisch wie dargestellt? Historisch betrachtet gab es immer wieder Panikreaktionen auf neue Technologien. Auch der Buchdruck wurde einmal als Bedrohung für die Jugend angesehen. Das Buch als Medium der Vereinzelung und Vereinsamung ist eine These, die mittlerweile abwegig erscheint. Jedoch gibt es heute einen wesentlichen Unterschied: Social-Media-Apps sind gezielt darauf ausgelegt, die Nutzenden zu fesseln und ihr Verhalten zu steuern. Die Plattformen nutzen Algorithmen, um maximale Aufmerksamkeit zu erzielen. Die Sucht nach »Likes« ist keine unbeabsichtigte Nebenwirkung, sondern ein zentrales Element der auf Profit ausgerichteten Geschäftsmodelle.
Kritiker bemängeln, dass Haidts Analyse die Problematik zu stark vereinfacht und die Rolle digitaler Medien als Hauptursache für die Zunahme psychischer Störungen bei Jugendlichen überbetont. Trotzdem ist der maßvolle und kontrollierte Umgang mit Technologie, den Haidt vorschlägt, ein spannender Diskussionsbeitrag: Smartphone-freie Schulen, keine Nutzung sozialer Medien vor dem 16. Lebensjahr sowie mehr unbeaufsichtigtes Spielen und kindliche Unabhängigkeit. Kurz: Ein Zurück zu einer Kindheit, in der keine Apps im sozialen Miteinander zwischengeschaltet sind. Nicht zuletzt kann sich bei der Lektüre von »Generation Angst« auch die erwachsene Leserschaft prüfen, ob sie als Vorbild für einen gesunden Medienkonsum gegenüber den Jüngeren herhalten kann.
Peter Heuchemer in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 30.10.2024