Es ist für die Betroffenen wie für die Helfenden meist eine Überforderung, wenn sich geflüchtete Menschen in medizinisch-therapeutische Obhut geben. Zu bewältigen sind nicht nur kommunikativen Barrieren, sondern auch kulturelle Hürden. Der Krankenpfleger Stefan Jünger und der Pädagoge Thomas Hax-Schoppenhorst bieten mit ihrem Buch Hilfestellungen zum Umgang mit Geflüchteten.
Jünger und Hax-Schoppenhorst zeigen zunächst auf, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des Fremden ist. Unsere Bilder vom Fremden wirken sich unmittelbar auf die Beziehung zum Gegenüber aus, »sie beeinflussen unsere Einschätzung, unsere Bereitschaft, unsere Kommunikation und letztlich auch unsere Entscheidungen« (S. 54). Fremdheit sei eine die eigene Identität herausfordernde Erfahrung (S. 55).
Ihrer Erfahrung nach leiden Geflüchtete »überdurchschnittlich oft unter psychischen Beschwerden« (S. 64). Die Stresssituation Migration sensibilisiere das Gehirn, »so dass der Betroffene auf den nächsten sozialen Stressfaktor noch einmal sensibler reagiert« (S. 66). Deshalb sind Rückzugsmöglichkeiten und begleitende, unaufdringliche Gesprächsangebot so wichtig. In ihren Augen überzeugen Helfende, wenn sie gemeinsames praktisches Tun und Hilfen im Alltag in den Vordergrund stellen.
Zunächst einmal geht es aber vor allem darum, Sicherheit herzustellen, »die Bedingungen zu schaffen, damit die Konfrontation mit den eigenen Ängsten gelingt und diese bewältigt werden können« (S. 102). Stichworte sind unter anderem Verlässlichkeit und Solidarität.
Da wird natürlich offenbar, wie schwierig es ist, solchen Worten Taten folgen zu lassen. Die optimistische Grundhaltung und die Offenheit der Autoren gegenüber Betroffenen bedingen, dass sie nicht über Schwierigkeiten und Missstände klagen, sondern alltagsnahe Hilfen anbieten, die keines besonderen Settings bedürfen, sondern nahezu überall nützlich sind. Besonders hervorzuheben ist das Schlusskapitel zur Kommunikation, das nicht nur verbale, sondern auch nonverbale Verständigungsmöglichkeiten aufzeigt.
Die Begleitung geflüchteter und seelisch aus Balance geratener Menschen gelingt nach der Lektüre und der Reflexion auf jeden Fall besser. Praktisch ist auch das Format für die Jackentasche. So kann man das Buch auf dem Weg zur Arbeit in der Straßenbahn lesen oder in der Arbeitspause einen Blick hineinwerfen.
Christoph Müller in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 12.04.2024