Die Rezension dieses Kommentars zu dem Bundes- und den Landes-Strafvollzugsgesetzen in einer psychiatrischen Mitgliederzeitschrift muss sich auf den für die Psychiatrie relevanten Teil konzentrieren. Es handelt sich hierbei vor allem um die §§ 136–138 StVollzG – den Teil, der weitgehend noch immer die Forensik betrifft. Der Rechtsschutz im Maßregelvollzug, der in den §§ 109 ff. StVollzG bundesweit einheitlich geregelt ist, kann dagegen nur eine kurze Erwähnung finden.
Helmut Pollähne, Strafverteidiger in Bremen, ist seit über 30 Jahren sensibler Wahrnehmer der Lebensbedingungen in der Forensik. Er ist Experte der ausgesprochen schwierigen Möglichkeiten, den systematischen Ansatz der – vor allem psychiatrischen – Maßregel (die der Abwehr von Gefahren durch erhebliche rechtswidrige Taten und dem Schutz der Allgemeinheit dienen soll) mit humanen Mitteln, der Menschenwürde und den Resozialisationsberechtigungen der in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Täter in Einklang zu bringen. Auf 29 Seiten vermag er es, die Komplexität der psychiatrischen (§ 63 StGB) wie der Entziehungsmaßregel (§ 64 StGB) und deren rechtliche und tatsächliche Veränderungen, die diese Normen und die praktische Durchführung dieser Maßregeln in den letzten Jahren in Deutschland erfahren haben, darzustellen.
Hartnäckig hält er daran fest, die Personen, die das StVollzG als »Untergebrachte« und die die meisten Landes-Maßregelvollzugsnormen inzwischen als »untergebrachte Personen« bezeichnen, »Patientinnen und Patienten« zu nennen. Schließlich befänden sie sich in einem Krankenhaus und hätten einen Anspruch auf Behandlung. Es gälte, sie mit dem Ziel zu behandeln, dass die Erforderlichkeit der Unterbringung entfällt. Konkretes hierzu gebe allerdings die bundesrechtliche Vorgabe nicht her, das habe auf der Ebene landesrechtlichen Maßregelvollzugsrechts zu erfolgen. Wichtig bleibt, an dieser Stelle hervorzuheben, dass der mit der Maßregel einhergehende Freiheitsentzug nicht um seiner selbst willen erfolgen dürfe, sondern ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit und der Behandlung jener Störungen diene, die Ursache für die Gefährlichkeit der betreffenden Person seien.
Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedeute dies hinsichtlich von Eingriffen: nicht mehr als nötig – so wenig wie möglich. Dass sich einige Länder, wie jüngst Rheinland-Pfalz und Berlin, nach der Föderalismusreform des Jahres 2006 von den §§ 136 und 137, teilweise auch von § 138 StVollzG, »verabschiedet« und damit deren Geltung für das Landesrecht aufgehoben haben, nimmt er mit einer gewissen Skepsis nur in Bezug auf Baden-Württemberg auf. Im Einzelnen weist er kritisch auf die Einführung von Disziplinarrecht, wie es im Strafvollzug üblich ist, ins Maßregelvollzugsrecht hin. Er betont, dass in der Forensik kein besonderes »Arztgewaltverhältnis« zu legitimieren sei und den Ärzten, so das Bundesverfassungsgericht, keine Vernunfthoheit zustehe. Er warnt vor einer rechtlich bedenklichen Hypertrophie des Behandlungsbegriffs, schließlich sei Behandlung hier dasselbe wie im bürgerlichen Behandlungsrecht.
Eine Antwort auf die selbst gestellte Frage, welche Funktionen im Maßregelvollzug auch von nicht medizinisch oder therapeutisch ausgebildeten Personen, insbesondere von der Pflege, wahrgenommen werden können, lässt er allerdings offen. Jedenfalls dürfe aus der Klausel der »ärztlichen Gesichtspunkte« in § 136 StVollzG nicht abgeleitet werden, den Ärzten gebühre die Letztverantwortung. Inzwischen sprächen die Gesetze in NRW und Bayern nunmehr deutlich von einer »therapeutischen« Leitung des Maßregelvollzugs. Zu psychiatrischen Zwangseingriffen durch Psychopharmaka führt er aus, sie dürften nicht von dem Zufall abhängen, welcher Arzt gerade zuständig sei. Und über eine zwangsweise Behandlung hätten nicht die Psychiater zu entscheiden, sondern es bedürfe hierzu einer unabhängigen Kontrolle. Ablehnend äußert er sich schließlich zur flächendeckenden Privatisierung des Maßregelvollzugs in einigen Bundesländern. Es folgen noch kürzere Bemerkungen insbesondere zu Stichworten wie einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Dauerbeurlaubung, Organisationshaft und zu den Gruppen der Jugendlichen und Heranwachsenden und von Frauen im Maßregelvollzug.
Bei der Kommentierung des § 138 StVollzG weist er vor allem auf die Regelungen zum Pfändungsschutz und zu den Haftkosten hin. Die einzelnen Neuregelungen des Maßregelvollzugsrechts in den Ländern werden mit Nachweisen dargestellt. Schließlich geht er auf die umfassende Geltung der therapeutischen Schweigepflicht, auch gegenüber Vollstreckungsbehörde und Strafvollstreckungskammer, ein. Er erwähnt die Eingliederung der Patienten in die Rentenversicherung und dass für sie Beiträge abzuführen seien, und er hebt den verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hervor. Dieser Rechtsschutz gilt weiterhin für beide Vollzugsbereiche – den Straf- wie den Maßregelvollzug – einheitlich als Bundesrecht und findet sich in den §§ 109–121 StVollzG. Diese Kommentierung hat Magret Spaniol, Richterin am Bundesgerichtshof, fortgeführt.
Nach grundsätzlichen Ausführungen zum Rechtsschutz im Vollzug kommt sie auf die speziell im Verwaltungsverfahren anzuwendenden Grundsätze zu sprechen und zu Kompensationspflichten der Anstalten und des Gerichts. Der Strafgefangene bzw. der Untergebrachte dürfe nicht zum Objekt staatlichen Handelns degradiert werden. Dem hätten vor allem die Gerichte entgegenzuwirken. Die nachfolgende Darstellung der einzelnen Paragrafen zeichnet sich vor allem durch eine Fülle von Beispielen aus der Rechtsprechung und durch Musteranträge aus, die jedem Anwender nur willkommen sein können. Schade nur, dass die Autorin dabei keine Muster für den Maßregelvollzug zur Verfügung stellt.
Zusammenfassend kann dieser inzwischen 7. Auflage des ursprünglich sogenannten Alternativ-Kommentars, die die Herausgeber und Autoren viel Mühe gekostet haben dürfte, wieder ein großes Kompliment gemacht werden. Wer immer sich mit dem Recht und dem Rechtsschutz von im Maßregelvollzug untergebrachten Personen zu befassen hat, ist mit diesem Werk trotz kleiner Patzer im Detail sehr gut bedient ‒ auch wenn er angesichts des Preises und der vielen Seiten zum Strafvollzug zunächst den Eindruck bekommen könnte, nicht auf seine Kosten zu kommen.
Heinz Kammeier in Soziale Psychiatrie
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024