Was uns zunächst als ein oberflächliches Detail erscheinen mag, nämlich das Lachen der Täter in ihrer Tötungslust beim Abschlachten, Erschießen, Verbrennen, Strangulieren ihrer "Feinde" – dies als verbindendes Element der Psychodynamik dieser Täter zu sehen, zeichnet Klaus Theweleits empirischen und theoretischen Ansatz in seinem neuen Buch aus.
In assoziativ arrangierten Textstücken, hierbei sich auf die "Schlachtfelder" von Indonesien, Guatemala, Norwegen, Kambodscha, Irak, Zentralafrikanische Republik, Sebrenica, Kongo, Guantánamo, Mexiko, Pakistan, USA, Deutschland, Ruanda und weitere Länder beziehend, dokumentiert er die jeweiligen Gräueltaten, wenn sie denn Erklärungen liefern. Er sucht neben dem "Lachen der Täter" noch andere verbindende Elemente, wie zum Beispiel die als "Muskelmasse des Genozids" bezeichnete Tatsache, dass das Alter der männlichen Täter zwischen 15 und 30 Jahren liegt, dass in der Regel Selbstermächtigungen zugrunde liegen, die sich als „Eliten“ sehen, gleich ob Gotteskrieger, Breivik oder Hitler.
In den Schritten "Lachen 1–8" sowie "Theorie 1–11" analysiert Theweleit das Verhalten dieser Menschen mit "höherem Berechtigungsausweis". Sein zentrales Ergebnis: Es handelt sich nicht um Ausnahmemenschen, allenfalls wie in "Männerphantasien" um den Körpertyp des "soldatischen Mannes". Das "Große Gelächter" begleitet als große Erleichterung den Tötungsakt. Wenn alles voll Blut ist, dann sind wir heil.
Theweleit widerspricht übrigens der These, die bestialischen sexuellen Gewaltakte an den Frauen könnten tatsächlich sexuell motiviert sein. Sie geschehen, weil sie erlaubt sind, weil es Spaß macht, weil die anderen Mörder begeistert sind. Eine wirklich überzeugende Erklärung gebe es aber nicht. Es kann, wie Erich Fromm es vorgeschlagen hat, das Lieben von Leiden sein – der in Verbänden handelnden Männer. Deren kaltes Lächeln mag vielleicht nur ein, hier aber gut dokumentiertes und verbindendes Element zwischen den Mördern sein, die im Namen eines so genannten Islamischen Staates abschlachten, zwischen den Massenmördern der Nazi-Herrschaft, den Massenmordbanden und ihrer Kindersoldaten in Afrika sowie den Einzelkämpfern und "Menschheitsrettern" vom Schlage eines Breivik.
Es ist, so Theweleit, auch das Lächeln eines "good guy", des All American Hero, eines Henry Fonda in "Spiel mir das Lied vom Tod", als er einen kleinen Jungen erschießt, weil er den Plänen der Eisenbahngesellschaft im Weg steht. Theweleit hat in diesem Buch den Weg zurück zu der aktuellen Auseinandersetzung mit dem gewalttätigen, faschistischen Mann und seinem gepanzerten Körper gefunden. Hierbei liefert er eine Reihe bemerkenswerter Einsichten, wie zum Beispiel zur Frage, ob Breivik ein Patient sei, einer, den wir mit Ferndiagnosen wie "Schizophrenie", "Borderliner", "Narzisst" versehen müssten.
Theweleit: "Man versteht von diesem Typ wenig oder gar nichts, wenn man ihn mit dem Typus Patient verwechselt. […] Er ist kein Patient – so wenig wie Himmler oder Hitler oder ein anderer dieser Mörder höheren Rechts. Wir haben es zu tun mit Weltrettern“; Leuten, die angetreten sind, uns zu heilen; und zwar mit technisch hochwertigsten Killergeräten; der Faschist aller Länder versteht etwas von Waffen. […] Wir sind in seinen Augen Kranke; Leute, die seiner Heilung bedürfen. Seiner Therapie."
Ohne Zweifel, ein grundlegender, ein unverzichtbarer und fern der akademischen Methodendiktatur entstandener Text, den man/Mann braucht, will er etwas über sich selbst verstehen. Ich bin froh, dass es dieses Buch gibt.
Übrigens: Klaus Theweleit, inzwischen 73-jährig, 2013 von der österreichischen Zeitschrift "Falter" gefragt, warum er denn trotz seiner brillanten Dissertation "Männerphantasien" nie einen Ruf als ordentlicher Universitätsprofessor erhalten habe: "Weil ich als Student in Freiburg beim SDS, dem linken Studentenverbund, aktiv war, konnte ich nicht Lehrer und Beamter werden. Außerdem hatte man mir in Freiburg Landfriedensbruch, Rektoratsbesetzung und Vorlesungsstörung vorgeworfen. Als ich mich ein einziges Mal an der Uni Freiburg um eine Professur beworben habe, saßen im Berufungsgremium die Professoren, deren Vorlesungen ich gesprengt hatte."
Christian Zechert in Soziale Psychiatrie
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024