Wer in einer Partnerschaft lebt, weiß: Mal gelingt das Miteinander besser, mal weniger gut. Wenn jemand dann mit der Erfahrung einer Depression zu kämpfen hat, dann geschieht es nicht selten, dass die Partnerschaft zur Disposition steht. Entscheidend scheint es zu sein, mit welcher Haltung das Paar dem Phänomen einer Depression begegnet. Im Buch »Schatten über der Partnerschaft« finden Betroffene und Angehörige überzeugende Anregungen zu einer gemeinsamen Bewältigung der emotionalen Katastrophe.
Bodenmann, der als Psychotherapeut und Psychologe langjährige Erfahrungen in der Begleitung Betroffener und Angehöriger hat, schreibt von »We-Disease«, ermuntert aber auch, die Partnerschaft als Ressource zu sehen. Dabei geht es ihm nicht darum, einer falsch verstandenen Romantik das Wort zu reden. Für Bodenmann ist in Momenten der Depression der Blick auf das Positive zu lenken. Hierbei könne die Partnerin, der Partner unterstützen, nicht, indem negative Gefühle kleingeredet werden (»so schlimm ist es doch nicht«), sondern vor allem durch ihre Anwesenheit.
Bodenmann gelingt es, einerseits verständlich und wertschätzend Forschungsergebnisse zur Rolle von Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern während depressiver Erschütterungen zu erklären. Andererseits bekommt das Buch von Seite zu Seite den Charakter eines Mutmachbuchs. Es gehe um eine Repräsentation des Partners oder der Partnerin als jemanden, »der für einen da ist, wenn man es am nötigsten hat, als eine verlässliche Größe im Leben, auf die man zugreifen kann, wenn man nicht weiterweiß« (S. 137).
Bodenmann setzt Impulse, die umsetzbar wirken und sich am Alltag von Menschen in Partnerschaften orientieren. Er betont, wie wichtig es ist, nicht die Probleme für die depressive Person zu lösen. Als Partnerin oder Partner eines Betroffenen, einer Betroffenen solle man unterstützen, flankieren und begleiten. Besonders Betroffene bräuchten die Haltung, dass man gemeinsam stark sei. Deshalb sei es wichtig, dass »sich beide ... emotional öffnen und dem anderen mitteilen, was sie umtreibt, plagt und belastet« (S. 147).
Für Bodenmann sind stets beide Partner von der seelischen Erschütterung betroffen. Beide seien in ihrem Befinden voneinander abhängig, da sie gemeinsam im selben Boot säßen. So sollten sie auch eine gemeinsame Sicht auf die Dinge suchen, um den Genesungsweg zu finden. Bodenmann schlägt für den nichtdepressiven Partner eine Art »Warmhaltemodell« vor. Für ihn ist es die größte Herausforderung, in einer prekären Lage die Hoffnung durch die Erinnerung an die depressive Person, wie sie vorher gewesen sei, wachzuhalten. Wörtlich: »Es gilt, an diesen Ressourcen anzusetzen und zu realisieren, dass diese nicht einfach mit der Depression verschwunden sind, sondern geschwächt, aber nicht ausgemerzt wurden« (S. 155).
Das Buch sorgt für ein tieferes Verständnis depressiver Erfahrungen und der Konsequenzen für die Partnerschaft und das familiäre Umfeld. Bodenmann thematisiert dabei auch so schwierige Fragen wie die der Elternschaft bei einer Depression. Wer als Betroffene oder als Betroffener, als An- oder Zugehöriger an depressiven Erschütterungen teilhaben muss, findet zahlreiche Hinweisschilder für den Genesungsweg und die gemeinsame Bewältigung der Schwierigkeiten im Alltag.
Christoph Müller in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024