Das Buch »Kreativ und mutig« der Autorin Susanne Konrad verspricht, sich für Inklusion einzusetzen, wenn sie auf S. 7 f. schreibt: »Gerade unter Menschen mit psychischen Belastungen und mit Psychiatrieerfahrung gibt es viele mit künstlerischen Ambitionen. (...) In Selbsthilfegruppen dürfen wir uns präsentieren, aber die Türen zum etablierten Literaturbetrieb bleiben oftmals verschlossen.«
Das Zielpublikum des Ratgebers beschreibt die Autorin so: »Von Autorinnen mit psychischer Krankheit wird oft angenommen, dass sie entweder im geschützten Raum des therapeutischen Schreibens verbleiben oder doch zumindest in ihrer Subszene der Psychiatrieerfahrenen« (S. 50). Dabei ermutigt die Autorin gezielt Menschen mit psychischer Belastung und zeigt »Wege zu einem Allgemeinpublikum« (S. 50) im Teil über das Veröffentlichen.
»Der Weg zum eigenen Buch trotz psychischer Belastung« ist der Untertitel dieses Ratgebers. Die Autorin Susanne Konrad steckt darin einen Claim ab zwischen Schreiben und Veröffentlichen sowie dem Aspekt der Minderheitenliteratur. Dabei will sie vermitteln, wie man in den Literaturbetrieb integriert werden kann und aus der Nische herauskommt, wo Schreiben nur der Selbstreflexion dient.
Konrad widerspricht der Leitlinie autobiografischer Literatur, dass Krisen bewältigt sein müssen. Sie bricht die Lanze für Geschichten, die keine Erfolgsgeschichten sind. Sie zeigt auf, wie die Autorinnen und Autoren mit ihren Texten wahrgenommen werden und erreichen können, dass darüber kommuniziert wird. Die Tipps und Tricks sowie Schreibanregungen und Buchrezensionen zeigen die Autorin Konrad als bewanderte Leiterin von Schreibwerkstätten.
Die Autorin selbst wurde vor 25 Jahren nach erfolgreicher Promotion und dem Zweiten Staatsexamen von einer Psychose aus der Bahn geworfen. Mit viel Mühe griff sie ihre Ziele wieder auf und fing an, zu schreiben und zu veröffentlichen. Die Frankfurterin legte zwölf eigene Bücher vor, darunter Romane, Erzählungen und Fachbücher sowie zahlreiche weitere Veröffentlichungen, und engagiert sich in Verbänden und Vereinen, unter anderem für die Frankfurter Immigrationsbuchmesse. Insgesamt ist das Buch ermutigend und wohlwollend, was im Literaturbetrieb nicht immer üblich ist, weil dort auch Eitelkeit zu Neid, Missgunst und Giftigkeit führt. Der einzige Mangel des Ratgebers besteht darin, davor nicht zu warnen und die Nutzerinnen und Nutzer nicht ausreichend vorzubereiten.
Als motivierender Ratgeber ist das Buch empfehlenswert, weil es zu der Theorie auch praktische Übungen vorschlägt. »Kreativ und mutig« zeigt damit auf, welche schöpferischen Möglichkeiten bestehen, die eigene Erfahrung aufzuschreiben, und es ermutigt, diese auch zu veröffentlichen. Es muss auch keine Recoverygeschichte werden. Es kann auch eine Geschichte ohne Happy End sein. Das ist ein dankbarer Ansatz, dem viele Leserinnen und Leser sicher gerne folgen werden.
Jan Michaelis in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024