Üblicherweise ist es so, dass der Rezensent in der Literaturliste des zu besprechenden Buches nachsieht, wie oft er in diesem Buch zitiert wird. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich öffentlich mache, dass mit der Anzahl der Zitierungen die Begeisterung über das Rezensions-Buch exponentiell wächst.
Unmittelbar nachvollziehbar spricht es demnach für das Buch von Reker, dass ich es lobe, obwohl ich nicht ein einziges Mal in seiner Literaturliste vorkomme. Das ist unerhört, aber das Werk ist trotzdem sehr empfehlenswert, zumal es an der Zeit war, dass ein anerkannter und speziell auf diesem Gebiet ausgewiesener Experte – wie Martin Reker – mal ein Buch auf den Markt wirft. Für dessen Bescheidenheit spricht im Übrigen, dass er sich selbst auch nur ein einziges Mal zitiert, da kennen wir ganz andere Fälle.
Nun zum Alkoholismus! War es früher so, dass wir Therapeuten den Alkoholkranken hinterherzuhecheln und ihnen ständig neue lebensrettende Angebote zu machen hatten, garniert mit Zwangseinweisungsdrohungen, um sie auf den Weg der Tugend zurückzuzwingen, ist es jetzt so, dass die Therapeuten die Hände vor dem Bauch falten können, da die verfassungsgerichtliche "Bemündigung"? (Reker) dazu führt, das ist auch eine wesentliche Botschaft dieses Buches, dass man als Alkoholkrankenheiler nur etwas erfolgreich dagegen unternehmen kann, wenn dies der ausgesprochene Wunsch des Suchtkranken ist, was bedeutet, dass dieser sich als solchen schon identifiziert haben muss.
Auf diesem Selbsterkennungsweg kann ihm therapeutischerseits, das wird mit Rekers Buch sehr deutlich, weiterhin hilfreich zur Seite gestanden werden. Insofern ist die Berufsgruppe der Suchttherapeuten (noch) nicht überflüssig, sondern ihr Schwerpunkt und ihre Notwendigkeit machen sich in der Selbsterkenntniserarbeitung der Klienten bemerkbar. Das Buch ist mit einer übersichtlichen Seitenzahl in der Basiswissensreihe des Psychiatrie Verlags sehr kompakt gefasst, nichtsdestotrotz bietet Reker dem Leser eine große Anzahl von beispielhaften lebensnahen Beschreibungen für die jeweiligen thematischen Unterkapitel des Buches.
Das Buch ist wissenschaftlich verfasst, aber trotzdem gut lesbar. Es bleibt nichts unbesprochen, sämtliche Aspekte bis hin zur Forensik werden thematisiert, auch die körperlichen Komponenten der Suchterkrankung kommen nicht zu kurz. Wichtig ist auch, dass er den Unterschied herausgearbeitet hat zwischen Nichtaufhörkönnern und Nichtaufhörwollern. Hilfreich dürfte es zudem für (über-)engagierte Jungtherapeuten sein, die angesichts von scheinbaren Misserfolgen die Suchttherapeutenflinte ins Korn werfen wollen. Ich wünsche Martin Reker für sein Buch Erfolg und eine hohe Auflage. Auch Che Guevara (Pörksen 80) wird sich darüber freuen.
Gunther Kruse in Sozialpsychiatrische Informationen
Letzte Aktualisierung: 14.08.2024