Für gesittetes, aber konsequentes Trinken gibt es jetzt endlich den ultimativen Ratgeber, angereichert mit nostalgischen, romantischen Abbildungen aus den Hoch-Zeiten der 20er- und 30er-Jahre, besagter guten alten Zeit der Cocktails und Schluckspechte.
Frank Kelly Rich heißt der Autor und Saufexperte, 44 Jahre jung und offensichtlich noch ohne Fettleber, dem mit seinem Kompendium der Spagat gelungen ist, die Lust auf Exzesse mit Gesellschaftskritik zu vermählen. Seine kreativen, aberwitzigen Tipps für rücksichtsloses Saufen und den folgerichtigen Umgang mit besoffenem Größenwahn sind ironische Drehungen und satirische Gesellschaftsbeobachtungen wider das strohtrockene Schweigen der Nüchternen, die unter der Androhung sozialer Ächtung alles, selbst das Glück, nur in homöopathischen Dosen genießen können und wollen.
Damit ist im Zeitalter des notorischen Gesundheitswahns sein Buch ein überfälliges satirisches Loblied wider das politisch Korrekte, "das einen Menschen eher danach beurteilt, was er sich verkneift, als danach, was er (sich) tatsächlich geleistet hat". Frank Kelly Rich spickt sein Buch mit großartigen, lakonischen (Säufer-) Weisheiten: "Besoffen zu sein, heißt, sich eloquent fühlen, ohne es aussprechen zu können."
Dass Rich mit seinem Kompendium über "moderne Freunde der Flasche" nur saufende Männer im Auge hat und keine saufenden Frauen, überrascht und sei erwähnt. (Saufende Männer diagnostiziert und adressiert Rich lebensklug als notorische Alkoholiker: "Wenn Ihre Frau nicht ahnt, dass Sie trinken, bis sie Sie nüchtern erlebt ...") Rich beklagt vielleicht zu Recht, dass die wahren Exzesse leider passé seien und beschwört lieber die guten alten Zeiten, als Trinker noch die Welt regierten ("Trinken Sie Absinth. Teilen Sie die Erfahrung der vollen Dröhnung mit Hemingway, van Gogh, Fitzgerald und Myriaden anderer Genies. Nur denken Sie daran, dass man mit zwei Ohren besser aussieht").
Zu diesen lustvoll beschworenen exorbitanten Trinkertypen gehören jedoch keineswegs juvenile Flatrate-Trinker oder gar die provinzlerischen Ballermann-Sportsfreunde und ihre Saufexzesse. Und natürlich darf der trockene Alkoholiker und militante Abstinenzler George W. Bush im Buch nicht fehlen, der angesichts seiner "Wahl" zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika 2000 alle Welt zu der verwunderten Frage trieb: "Was der Ami wohl anstellt, um ein bisschen Spaß zu haben." Diesen Spaß besorgte sich Bush etwas später. Sein beachtenswerter Überfall von 2003 auf den Irak war offensichtlich sein stimmiges (Gegen-) Mittel der Wahl, ihn aus dem Klammergriff der Nüchternheit zu befreien, Trockenrausch sei wachsam!
Sollten Sie, liebe Leser, nun die Kraft des positiven Trinkens entdecken wollen, sich einführen lassen wollen in die Kunst des "Zen für einsame Trinker", um auf diese großartig destruktive Art und Weise der völlig legalen Stressbewältigung und Lebensverschönerung Haus und Flasche zu öffnen, vergessen Sie bitte ebenfalls nicht das Ungemütliche eines kapitalen Katers! Auch hierzu hat der Experte Worte: "Wenn danach alles eitel Sonnenschein wäre, könnte jedes Weichei saufen." Nicht nur deshalb ein Prosit auf die Dialektik in Zeiten einfacher Lösungen!
Brigitte Siebrasse in Soziale Psychiatrie
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024