Viele psychiatrisch Tätige haben den Begriff der Ressourcenförderung in ihrem Vokabular. Im Kunstatelier des Psychiatrischen Zentrums im schleswig-holsteinischen Rickling wird damit ernst gemacht. Die Filmemacherin Andrea Rothenburg hat mit der Filmkamera mehr als einen Blick auf diesen kreativen Ort werfen können.
Ihr ist mit dem Film »Alfred & Co.« ein beeindruckender Film gelungen, der Außenseiterkunst in den Mittelpunkt rückt, z. B. die Fotos von Sandra Reimers. »In der Psychose fotografiere ich anders als im Normalzustand«, sagt die psychose-erfahrene junge Frau. Sie spricht von einem Überraschungseffekt, mit dem sie nach der Psychose auf Fotografien schaut. Was macht denn den Überraschungseffekt aus? Spontan wird keine Antwort gegeben. Der Film lässt es offen und bietet er den Zuschauenden die Möglichkeit, selbst Fantasien zu entwickeln, wo denn die Unterschiede sein könnten.
Als Filmemacherin lässt Andrea Rothenburg die Bilder sprechen. Sie stellt die Protagonistinnen und Protagonisten des Films »Alfred & Co.« immer in direktem Zusammenhang mit den eigenen Werken dar. Die Protagonistinnen und Protagonisten hocken vor den eigenen Werken oder inmitten der eigenen Bilder. Auf den Zuschauer macht dies den Eindruck, dass die Subjektivität des künstlerischen Schaffens unterstrichen werden soll.
Die psychiatrie-erfahrenen Künstlerinnen und Künstler sind nicht auf eine Stilrichtung im Kunstatelier des Psychiatrischen Zentrums in Rickling festgelegt. Der eine malt sehr gegenständliche Bilder, ein anderer macht bildhauerische Arbeit. Wenn der leitende Chefarzt des Psychiatrischen Zentrums Rickling, Hans-Joachim Schwarz, von einer zunehmenden seelischen Obdachlosigkeit des zeitgenössischen Menschen spricht, wird deutlich, dass in Rickling versucht wird, mit dem Kunstatelier eine Heimat zu bieten.
Andrea Rothenburg ist es auf eine wunderbare und liebenswürdige Weise gelungen, dieses Zuhause von psychiatrie-erfahrenen Menschen vorzustellen. Mit der künstlerischen Arbeit bekommen Menschen in ihrem Leben einen Sinn. »Ich brauche keinen Alkohol mehr. Ich brauche etwas anderes«, heißt es mehrfach in dem fast zweistündigen Film. Vielleicht kann »Alfred & Co.« eine Ermutigung für andere Einrichtungen sein, psychiatrie-erfahrenen Menschen einen Ort der Entfaltung zu geben.
Christoph Müller
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024