Auf dem Weltkongress für Psychiatrie und der „Berliner Woche der seelischen Gesundheit“ gab es 2017 die Gelegenheit, den gelungenen Dokumentarfilm „Wir sind hier“ vorab zu sehen. Ich habe sie genutzt. „Wir sind hier“ will Mut machen, und das gelingt der Doku in der Dauer einer Schulstunde – in 45 Minuten. Es geht los mit einer rasanten Hiphop-Nummer, aufgenommen von David Floyd, einem charismatischen jungen Rapper. Dieser Song öffnet die Herzen und animiert zum Mitsingen. Zu Wort kommen nun Kinder psychisch kranker Mütter, Mädchen und Jungen, aber auch eine inzwischen erwachsen gewordene Tochter.
Eindrucksvoll beschreiben sie ihre Erfahrungen, ihre Ängste und Nöte. Sie kennen sich inzwischen erstaunlich gut mit den Symptomen der unterschiedlichen psychischen Störungen aus – kein Wunder. Die Gefahr ist groß, angesichts der Not der Kinder die kranken Mütter zu diskriminieren. Doch dieser Versuchung erliegt die Regisseurin und Filmemacherin Andrea Rothenburg nicht. Der Film ist getragen von ihrer - aus früheren Arbeiten bereits bekannten - klaren Grundhaltung, von Verständnis und Empathie für psychisch kranke Menschen und dem Engagement für ihre so tragisch vergessenen Kinder. Aber wo anfangen?
Das Schlimmste scheint für die Kinder zu sein, allein gelassen zu werden, mit niemandem sprechen zu können. Doch das lässt sich ändern, wie die Gruppenangebote des Hamburger Vereins „Wellengang“ und leider viel zu wenige andere Projekte zeigen. Der Film konzentriert sich ganz auf seine jungen Protagonisten, lässt aber auch Mütter und Väter zu Wort kommen. Neben den teilweise erschütternden Erfahrungsberichten überzeugen vor allem die Schilderungen der Aktivitäten, die wir Profis so gerne Coping-Strategien nennen. Kristinas Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr sei hier als besonders leuchtendes Beispiel genannt.
Der Film ist vor allem konzipiert für den Einsatz in Schulen; ich finde, er ist hervorragend geeignet für die Gestaltung des Themas „Kinder psychisch kranker Eltern“ im Rahmen der Ausbildung sozialer Berufe.
Die DVD kann vorbestellt werden unter www.psychiatrie-filme.de.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024