Zoplicon, Lithium und Benzodiazepine werden Genesis Potini bei der Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik in die Hand gedrückt. Außerdem der eindringliche Rat, regelmäßig acht Stunden zu schlafen und das Wichtigste: Kein Stress!
Weshalb der ca. 40 jährige stämmige Maori-Mann mit der eigenartigen Frisur in der Klinik war erfährt der Zuschauer nicht. In einer kurzen Szene ganz am Anfang trägt er eigenartige Umhänge und betritt einen Laden mit kunstvoll geschnitzten Schachfiguren. Er spielt mit ihnen eine berühmte Schachpartie nach, bis die Sozialarbeiterin eintrifft, und den verwirrten Mann gegen seinen Willen mit Hilfe uniformierter Männer in die Klinik transportieren lässt.
Entlassen wird er erst, als sich ein Familienmitglied bereit erklärt, ihn aufzunehmen. Sein Bruder ist ein massiger Typ mit langen Rasta-Zotteln; er ist Mitglied einer brutalen Biker-Gang. Genesis darf grade mal eine Nacht auf der Couch verbringen, dann bekommt er Geld in die Hand gedrückt, und wird weggeschickt. Doch zuvor hat er den Sohn seines Bruders, den sensiblen Mana kennen gelernt. Mana wird anlässlich seines Geburtstags in die Gang aufgenommen und grausamen Einführungsritualen unterworfen.
Genesis hat im Supermarkt einen Hinweis auf einen Schachclub für Kinder entdeckt, der von einem ehemaligen Schachkumpel betreut wird. Er schafft es, in diesem Club als Betreuer akzeptiert zu werden. Es sind Kinder am Rand der neuseeländischen Gesellschaft: Arm, übergewichtig, kriminell, aufsässig, aber aufgeweckt. Allmählich wird klar, dass Genesis unter dem Namen „The dark horse“ ein in der Region berühmter Blitzschachspieler war. Der Film konzentriert sich ganz auf die zwei Wochen, in denen Genesis die Ghetto-Kids auf das nationale Schachturnier in Auckville vorbereitet. Er schläft zunächst im Freien, wo ihn auch sein Neffe Mana aufspürt und sich ihm anschließt.
Genesis lehrt die Kinder das Schachspiel, in dem er die verschiedenen Züge und Figuren mit den Mythen seines Volkes verknüpft. Zweifellos ist er ein genialer Schachspieler, aber ein ebenso begabter, mitreissender Pädagoge. Brav nimmt er abends seine Tabletten; Aufregung und Stress bringen ihn mehrmals an sein Grenzen, doch am Ende schafft er es zumindest, Mana aus den Klauen der brutalen Gang zu lösen. Natürlich gewinnen sie auch das Turnier.
Wäre die Geschichte um den bipolaren Maori erfunden, so fände man sie wohl ein wenig gutmenschig und übertrieben. Das unter einer bipolaren Störung leidende Schach-Genie Genesis Potini hat aber tatsächlich von 1963 – 2011 gelebt; ein Dokumentarfilm hat sein Leben bereits aufgezeichnet. Der Film zeigt das Leben eines obdachlosen psychisch Kranken aus einer ungewohnten Perspektive; der berühmteste neuseeländische Schauspieler Cliff Curtis („Die letzte Kriegerin“) hat für diese Rolle angeblich 30 kg zugenommen. Das „Dark horse“ spielt er berührend, hilflos, großmütig und ungeheuer humorvoll. Eine großartige Leistung.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024