Mit großem Tamtam und ungewöhnlicher Resonanz beim Publikum ist ein deutscher Spielfilm passend zum „Tag der Arbeit“ in die Kinos gekommen. Er ist ganz und gar zugeschnitten auf den Schauspieler Wotan Wilke Möhring, der uns von allen Litfaßsäulen „Happy Burnout“ zuruft. Er ist im gleichnamigen Spielfilm ein Alt-Punk namens Andreas Poschka, alias Fussel, Bezieher von Hartz IV seit es Hartz IV gibt und beliebt bei allen Nachbarn und ganz besonders bei Frau Linde, seiner Sachbearbeiterin im Jobcenter.
Die gerät im Rahmen eines internen Controllings unter Druck; von ihrem Schwager, einem Psychiater hat sie sich eine Klinikeinweisung für ihren Lieblingskunden Fussel ausstellen lassen. Sie überreicht ihm außerdem das Fachbuch „Burnout für Dummies“ und schickt ihn in Therapie. Ziel der stationären Behandlung sei die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des chronisch überforderten Schluffis – alternativ die sofortige Einstellung aller Bezüge, inklusive Mietkosten. Derartig existenziell bedroht zieht Fussel mit seinen Plastiktüten los.
In dem idyllisch gelegenen Schlösschen begrüßen ihn Anke Engelke als therapeutische Fachkraft Alexandra und Ulrike Krumbiegel als kritische Psychiaterin Fr. Dr. Gunst. Er teilt sich das Zimmer mit Günther, dem innerlich und äußerlich verbrannten Besitzer einer Kette von Sonnenstudios. Fussel übersteht die obligatorische Morgenrunde und greift beim Mittagessen tüchtig zu; er bringt im Park die anderen Patienten auf Trab, weil er von Natur aus empathisch und unverzagt ist. Doch das Fachpersonal kommt ihm auf die Schliche – Fussel ist ja total gesund! Großzügig wird ihm angeboten, seine Fähigkeiten sozusagen als Undercover-Therapeut auszuleben, da man personell etwas unterbesetzt ist.
Dieser Schlenker der Handlung bietet Gelegenheit für viele originelle und glücklicherweise nicht nur klamottige Aktivitäten, stets fachpolitisch korrekt, aber durchaus charmant in Szene gesetzt. Da gibt es Merle, die erschöpfte Mutter von vier Kindern, und den Banker, bei dem ein psychosoziales Flexibilitätsdefizit diagnostiziert wurde, und der ständig an der Sichtung der Börsenkurse gehindert werden muss. Kostja Ullmann darf einen dekompensierten Bauchredner verkörpern, dessen Handpuppe unflätige Kommentare abgibt. Eine Patientin mit Tinnitus stößt sich einen Stift ins Ohr, und schließlich erweitert sogar Frau Linde vom Jobcenter, inzwischen total ausgebrannt, die Kohorte. Fussel kümmert sich personenzentriert; mal führt er ein vertrauliches Gespräch auf dem Fußboden, mal entführt er zwei Patienten zum Bierchen in die Dorfkneipe.
Das Prinzip leuchtet ein: Es braucht den anarchischen Chaoten, um den überangepassten Workaholics zu zeigen, wie man richtig abdreht. Leider steuert das Drehbuch all zu früh auf eine moralische Läuterung hin: Das Elend der anderen macht Fussel die Leerstellen seiner eigenen Existenz bewusst, und in einer weiteren konstruierten Kehrtwendung wird er mit Hilfe seiner neuen Freunde endlich erwachsen. „Happy Burnout“ ist lustig, ohne sich lustig zu machen. Das ist schon die halbe Miete. Die gut gelaunt agierende prominente Schauspielerriege übernimmt den Rest.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024