In der Reihe “German cinema – Lola @Berlinale” gibt es die wunderbare Gelegenheit, Filme zu sehen, die für den deutschen Filmpreis nominiert sind, und die einem während des Kinojahres durch die Lappen gegangen sind. Es ist peinlich, aber „Look before you kuck“ habe ich beim regulären Kinostart im November 2012 verpasst. In der Tat eine Panne, wie ich gestehen muss.
Heino Jaeger soll in den 1970er Jahren ein Star im Rundfunk gewesen sein. Der Dokumentarfilm beginnt mit dem Knistern der Röhren und einem Rundruf durch das Deutsche Reich: „Achtung, ich rufe noch einmal Stalingrad. Stalingrad. Achtung - noch einmal die Kaukasusfront.“ Man reibt sich die Ohren. Ist das nicht die falsche Epoche?
In seiner Rundfunksendung „Fragen Sie Dr. Jaeger“ beantwortete er vermeintlich die Fragen der Zuhörer. Er konnte perfekt Stimmen imitieren, und so ist er die verzweifelte Hausfrau, deren Mann ein pensionierter Grenzbeamter ist, und er ist eben auch der antwortende Dr. Jaeger. Ja, meint der, der pensionierte Beamte sei sogar dazu verpflichtet, die Pässe im Flur zu kontrollieren und notfalls sogar einzuziehen. „O, das wußte ich nicht“, verabschiedet sich mit brüchigem Sopran die Anruferin.
Weggefährten, Mäzene und späte Fans zeigen die Schätze aus ihren Archiven. Es sind völlig veraltete, brüchige Tonbänder, und wunderbar verquere Zeichnungen und Gemälde. Jaeger hatte eine Passion für alles was mit Militär, der Wehrmacht und ihren Vermächtnissen zu tun hat. Am liebsten ging er auf alte Truppenübungsplätze, in die Grenzanlagen zur DDR oder Abbruchhäuser. Er beschriftete seine Werke im Stil des Dritten Reiches, und den Zuschauer schaudert. Doch er malt nicht einfach ab, er verfremdet überdeutlich oder nur in Nuancen. Es sind merkwürdige Tiere in Uniform, oder obskure Waffen, nicht unbedingt funktionsfähig, aber fürchterlich.
Heino Jaeger war ein verschrobener Sonderling, mit dem nicht wirklich in Kontakt zu kommen war. Seine Wohnung war verwahrlost und vollgesammelt mit den Objekten seiner Manie. Er hörte abrupt beim Rundfunk auf, weil er als Maler anerkannt sein wollte. Doch er blieb ein Geheimtipp und verfiel dem Alkohol und später dem Wahnsinn. Er hörte Stimmen und tauschte seine schönsten Zeichnungen gegen eine Flasche Bier. Er war immer wieder eingewiesen in Ochsenzoll, und verbrachte die letzten Jahren mit allen Merkmalen des chronisch psychisch Kranken in einem Sozialpsychiatrischen Heim in Bad Oldesloe.
Gerd Kroske setzt aus Reliquien, den Sammlerstücken und den Interviews ein bedrückendes Porträt zusammen. Man wird das Lachen nicht mehr los, das einem im Hals stecken geblieben ist. Der Film ist auf der Reise durch die deutschen Provinzen.
Mehr Informationen und einen Trailer gibt es auf der offiziellen Webseite: www.heino-jaeger-film.de.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024