Gibt es wirklich gute Gründe, in diesen Film zu gehen? In Berlin läuft er in diesem Frühjahr in allen Cinemaxxen, die Filmknäcke sonst eigentlich nur zur Berlinale betritt.
Milan Peschel in der Hauptrolle, das könnte ein Argument sein. Aber der in „Halt auf freier Strecke“ so brilliant agierende Schauspieler und Regisseur bleibt vor allem als etwas feuchter Comedian, reif für die Quatschcomedy, im Gedächtnis.
Familienaufstellung als ein bisschen anrüchige Therapiemethode – das könnte ein weiterer Grund sein. Zwei junge Gamedesigner melden sich in diversen Wochenendseminaren an, in denen mit dieser Methode gearbeitet wird. Der eine von beiden versucht seine Freundin zu vergessen, der andere – natürlich Milan Peschel – will einfach nur Frauen aufreißen. Sie beherzigen Therapiecrasher-Regel Nummer 3 („Die Lebensläufe können nicht verkorkst genug sein“) und stellen sich als Herzchirurg, Pilot oder Tierpfleger vor, denn Frauen lieben das. Es gibt einige schöne Workshop-Szenen in diesen typischen Gründerzeitvillen mit Blick auf den Starnberger See. Herbert Knaup als bärtiger Obertherapeut macht seine Sache gar nicht schlecht; er trifft die richtige Mischung aus Duz-Kumpel und Guru. Wunderbar getroffen sind die intensiven psychodramatischen Blicke, mit denen die Teilnehmer darauf warten, dass der „Aufsteller“ die richtigen „Stellvertreter“ wählt und im Raum platziert.
Mal wird ganz ernsthaft Papa oder die Schwester verkörpert; doch der Film muss natürlich sein Publikum amüsieren und ein wenig schweinigeln, und deshalb muss Uwe bei der Aufstellung der sexuellen Beziehung von Peter die Impotenz darstellen, oder einfach gleich das schlappe Glied, das dann halt doch endlich aufgestellt wird…
Nein, es ist natürlich der Titel, der Filmknäcke zu dieser eher überflüssigen Geldausgabe genötigt hat. Ganz im Ernst: Man kann in diesen Film reingehen und auf mittlerem Niveau über strohdoofe Männer und therapiesüchtige Frauen abkichern. Irre sind männlich? Nein, irren ist immer noch menschlich. Ein Blick ins Netz und in die Anti-Stigma-Szene zeigt, dass Verballhornungen des Titels unseres wichtigsten und längst heilig gesprochenen Lehrbuchs sehr beliebt sind. Irre menschlich – irrsinnig menschlich – Irre ist menschlich – Ist irren nur menschlich? Und zuletzt gefunden: Irren ist amtlich.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024