Irgendwie schaffe ich es nie, zum Dokumentarfilmfestival nach Leipzig zu fahren. Ärgerlich. Umso besser, dass der Gewinner des „Young Film Award“ nun ganz regulär in einige Berliner Kinos kam. „Kommunion“ ist ein kleines Meisterstück der jungen polnischen Filmemacherin Anna Zamecka.
Ola ist 14 Jahre alt und hätte eigentlich anderes zu tun - mit den Freundinnen lachen und mit ihrer Clique rumhängen. Aber ihr Bruder Nikodem ist Autist, und seine Kommunion steht an. Also bereitet Ola ihn auf die mündliche Prüfung vor. Es sind Glaubenssätze des Katholizismus, Regeln und Gebote, die über der rigorosen Paukerei den letzten Rest ihrer Sinnhaftigkeit verlieren. Nikodem würde wohl gerne verstehen, was er da immer zu repetieren muss, aber darum geht es ja nicht. Er ist unwillig.
In jeder kleinen Pause wedelt er mit den Händen, und Ola muss ihn wieder fokussieren. Ab und zu stößt er Bemerkungen aus, die so skurril sind, dass sie doch immer irgendeinen Nagel auf den Kopf treffen. Mit Bananenscheiben als Ersatz für Oblaten übt Ola mit ihm die Zeremonie der heiligen Kommunion. Der gutmütige Vater scheint seine Tage in der Kneipe zu verbringen, die Mutter hat sich zu einem anderen Mann abgesetzt.
Die Kamera beobachtet Ola dabei, wie sie morgens die Schulmappe für Nikodem packt. Wie sie sich beim Schleudergang auf die Waschmaschine setzt, und gleichzeitig die Spüle festhält, damit nicht alles außer Kontrolle gerät. Sie telefoniert mit der Mutter um sicher zu gehen, dass sie tatsächlich zu diesem wichtigen Ereignis kommen wird. Nikodem schafft tatsächlich die Prüfung beim Priester. Er wird zugelassen. Die Mutter kommt zu der großen Feier und übernachtet in der engen Wohnung. Ola hofft, dass sie nun bleibt.
Doch am Ende dieser klug komponierten Dokumentation beobachtet der Zuschauer Ola, wie sie die Mutter beobachtet, die mit ihrem Köfferchen wieder von dannen zieht. Ich habe mich ab und zu gefragt, wo in dieser so authentisch engen und komplett durchmöblierten Wohnung eigentlich eine Kamera platziert werden konnte. Man ist Ola immer ganz dicht, hautnah auf den Fersen. Der Film läuft nur im Original mit Untertiteln, was zumindest für mich die Faszination nicht beeinträchtigt hat.
Für das gerade gegründete Netzwerk für Geschwister psychisch Kranker könnte „Kommunion“ ein guter Einstieg sein.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024