Bereits am 29. März 2018 kommt dieser neueste Spielfilm des Regisseurs Steven Soderbergh in unsere Kinos. Bei der 68. Berlinale lief der Film im Wettbewerb. Aufmerksamkeit hat er vor allem deshalb erhalten, weil er fast ausschließlich mit dem iphone gedreht wurde. Ich muss gestehen – ich hätte das nicht bemerkt. Die Bilder sind durchweg ansprechend- manchmal extrem kontrastreich und bunt, dann wieder angemessen diffus. Doch für uns, die wir an der Präsentation von Psychiatrie in den Medien interessiert sind, ist der Film aus anderen Gründen relevant.
Steven Soderbergh zeigt uns in „Insane- ausgeliefert“ eine scheinbar zeitgemäße, institutionelle Psychiatrie. Eine junge Frau mit dem Namen Sawyer Valentini (Claire Foy) ist umgezogen und arbeitet hart in ihrem neuen Job. Ein Kontakt über ein Dating-Portal löst einen schweren akuten Angstzustand aus. Sie führt ein Krisengespräch in einer verhaltenstherapeutischen Poliklinik, wo die Therapeutin sie nach Suizidgedanken fragt. Ja, sie habe durchaus derartige Gedanken, meint sie, und unterschreibt artig das Formular, das ihr vorgelegt wird. Pflegekräfte geleiten sie auf die Station, die sie nun wegen der akuten Selbstgefährdung für 24 Stunden „zur Beobachtung“ nicht mehr verlassen darf. Sie ist vorläufig untergebracht.
Sie argumentiert und wird laut und wehrt sich, so kommt die Fremdgefährdung noch dazu. Sie wird fixiert und zwangsmediziert und ist benebelt. Sieben Tage soll sie nun auf der Station bleiben. Männer und Frauen sind in ihrem Schlafsaal gemeinsam untergebracht; die einzige Therapie besteht in der nachdrücklichen Vergabe von Psychopharmaka. Die junge Frau kämpft mit allen Mitteln und wenigen Verbündeten um ihre Freilassung - vergeblich. Schließlich landet sie in einer riesigen Isolierzelle, vollständig ausgelegt mit dicken Matten. So schnell also kann man in den USA interniert werden – solange die Krankenkasse bezahlt, und das sind üblicherweise 7 Tage. Wenn die Kasse nicht mehr zahlt, wird man als geheilt entlassen. Dies zumindest behauptet der Autor des Drehbuchs bei der Pressekonferenz im Anschluss, und erhält dafür reichlich Beifall. „Es geht nur um das Geld. Gefängnisse brauchen Häftlinge, und Kliniken brauchen Patienten. So einfach ist das.“
Doch zurück zum Film und seinem zweifädigen Plot. Soderbergh wäre nicht Soderbergh, wenn er nicht ein zweites, suspense-fähiges Topos einführen würde. Es gibt – so viel sei verraten – einen psychiatrisch tätigen Stalker in diesem Psycho-Thriller. Wer auf Spannung pfeift, der kann auf Wikipedia die gesamte Handlung nachlesen.
Nach seiner Kritik an Psychopharmaka und Pharmaindustrie in dem Film „Side Effects“ (2013) will Soderbergh diesmal der institutionellen US-Psychiatrie eine Schelle geben. Ob es tatsächlich eine Krankenhaus-Mafia gibt, die vorrangig Krankenkassengelder abgreift, können wir aus der Ferne nicht beurteilen. Mag ja sein. Dass eine Psychiatrie, in diesem Fall sogar eine privatwirtschaftliche Einrichtung, so unmenschlich ausgestaltet ist, dürfte ziemlich daneben sein. Dabei ist die völlige Vermischung von authentischen und überzogenen Abläufen besonders unbekömmlich.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024