Angeblich war die Punkband »Schleimkeim« in der DDR sehr populär und ist es in den richtigen Kreisen noch heute. Ich muss gestehen – ich hatte den Namen noch nie gehört.
Filmemacher Jan Heck kommt zwar aus Balingen, spielt aber selbst in einer Punkband und hat vier Jahre lang recherchiert. Er hat die alten Weggefährten und Saufkumpane aufgetrieben und lässt sie zu Wort kommen. Er hat aber auch erstaunlich viel Archivmaterial gefunden.
Dieter »Otze« Ehrlich lebte in den Anfangszeiten der Band in einem Dorf nahe Erfurt. Im Schweine- oder Hühnerstall – da sind sich die Kumpels nicht ganz einig – wurden die ersten Griffe und Songs geprobt. Otze spielte zunächst Schlagzeug, später sang er zur Gitarre vor allem seine eigenen, prägnanten Texte. Die Band wurde populär, spielte in der ganzen DDR und wurde natürlich verfolgt. Alle Bandmitglieder saßen immer wieder im Knast, ein halbes Jahr und länger. Die Stasi war hinter ihnen her; Otze ließ sich sogar anwerben.
Nach der Wende kam die große Freiheit, und es gab Drogen ohne Ende. »Unsere besten Jahre«, sagen Abse, Speiche, Spinne, Basti und die anderen. Otze war mehrfach in der Erfurter Psychiatrie und wurde zwangsbehandelt; er zog nach Berlin und hauste zwei Jahre lang im Treppenhaus des Berliner Kunstzentrums »Tacheles«, wo er mit kleinen Glücksspielen Geld für Drogen ergatterte.
Otze hing sehr an seiner Mutter. Nach ihrem Tod ließ der Vater Otzes Zimmer komplett räumen, samt Platten, Verstärkern und Instrumenten. Otze erschlug seinen Vater mit einer Axt. Er landete in der forensischen Psychiatrie Mühlhausen. 2005 starb er dort an einem Herzstillstand.
Ich finde diesen Dokumentarfilm wunderbar. Es sind vor allem die Berichte der Freunde von früher, die die Jahrzehnte mehr oder weniger nüchtern überstanden haben, die »Otze« zu einem wichtigen Zeugnis der DDRSzene machen.
Ilse Eichenbrenner in Soziale Psychiatrie
Letzte Aktualisierung: 02.06.2024