In der australischen Serie »Wakefield« tauchen die Zuschauenden in die Welt einer psychiatrischen Station und ihrer Patientinnen und Patienten ein. Es werden aber auch die Nöte und Sorgen der Mitarbeitenden beleuchtet. Die zentrale Figur ist der Pfleger Nikhil, genannt »Nik«. Mit einer Mischung aus anpackendem Pragmatismus, aber auch sensiblem Vorgehen findet er zu vielen der Patientinnen und Patienten Zugang. James, eigentlich erfolgreicher Manager, führt seine Geschäfte aus der Klinik heraus weiter, versinkt jedoch auch immer wieder in tiefe Depressionen, wird lethargisch und suizidal. Trevor ist unorganisiert und aufbrausend, nervt alle mit seiner Gitarre und seinem Gesang bei eher fraglichem musikalischem Talent. Genevieve ist in der Manie promiskuitiv und vulgär. Ihr verstörter Ehemann hält zu ihr, kommt aber immer wieder auch an die Grenzen seiner Liebe und seines Verständnisses dafür, dass es die Krankheit ist, die sie so handeln lässt. Tessa versteckt sich hinter ihrer Sonnenbrille, sammelt Erinnerungen und wehrt jeden Versuch eines Beziehungsaufbaus seitens der Profis ab.
Nik, der seinen Job hochprofessionell macht, muss nebenbei viel Energie aufbringen, um die Fehler eines unsicheren Psychiaters auf der Station auszugleichen. Zudem kämpft er mit den seelischen Folgen des frühen Todes seines Bruders. Immer wieder kehrt in seinem Gedächtnis das Lied »Come On Eileen« auf. Nik wird neben der Arbeit auch durch die Vorbereitungen zur geplanten Hochzeit seiner Schwester nach indischem Ritual zusätzlich auf Trab gehalten.
Als er sich auf die Stelle der Stationsleitung bewirbt, muss sich Nik der intriganten Krankenschwester Linda erwehren. Erschwerend kommt für ihn hinzu, dass er mit der Ärztin, die die Station leitet, mal verlobt war. Beide gehen respektvoll miteinander um, bei ihrer Trennung blieben zwischen beiden aber Fragen unbeantwortet, was in die Arbeit hineinwirkt. Unter den Kolleginnen und Kollegen ist ihm Colette eine Stütze, die dank ihrer Herzlichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüber den Patienten gemeinsam mit Nik ein gutes Pflege-Team bildet.
Trotz der vielen Handlungsebenen, die sich auftun, findet die achtteilige Serie Zeit, die einzelnen Geschichten nicht nur anzureißen, sondern in Ruhe zu erzählen. Selbst für filmische Mittel ist noch Raum. So gibt es immer wieder kleinere Musical-Einlagen, und es werden zeitweise einzelne Episoden leicht verschoben aus der Perspektive der unterschiedlichen beteiligten Personen erzählt.
Interessant ist für die Zuschauer vom Fach der Blick auf Niks Arbeitsweise. Neben der Ruhe, die er auch in aufreibenden Situationen behält und ausstrahlt, nimmt er Wünsche seiner Patienten auf und versucht, mit unkonventionellen Mitteln Lösungen zu finden. James wird es gestattet, in der Besenkammer in Pyjamahose, Hemd und Sakko ein Online-Meeting mit seinen Geschäftspartnern abzuhalten. Trevor, der eigentlich noch keinen Ausgang hat, wird von Nik zu einem Date mit einer jungen Frau begleitet.
»Wakefield« beschönigt aber nicht. Immer wieder kommt es auf der Station zu Konflikten, die häufig lautstark, manchmal körperlich ausgetragen werden, wobei Nik auch nicht von Blessuren verschont bleibt. Die Hilflosigkeit der Ärztin bei der Behandlung von Genevieve – keins der Medikamente zeigt bei ihr Wirkung – wird deutlich. Schließlich greift sie auf die Elektrokrampftherapie (EKT) zurück. Genevieves Mann beklagt sich nach den ersten EKT-Sitzungen darüber, dass die angekündigten kurzfristigen Gedächtnisstörungen doch tiefgreifender und umfassender sind. Und auch Niks biografische Belastungen erschweren seine Arbeit in der Klinik zunehmend, und die Ereignisse spitzen sich zu. »Wakefield« war zeitlich begrenzt in der Mediathek von ARTE abrufbar, mittlerweile ist die Serie ausschließlich kostenpflichtig bei Streamingdiensten zu sehen. Ich hätte dieser facettenreichen und kurzweiligen Serie ein längeres Verweilen beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen gewünscht.
Ilja Ruhl in Soziale Psychiatrie
Letzte Aktualisierung: 24.07.2024