Der 13jährige Felix sitzt neben seiner Mutter Eva und übt, Gesichtsausdrücke zu erkennen. Aha, ein Autist. Mundwinkel hochgezogen ist ein Lächeln, das muss er sich einprägen. In der nächsten Einstellung verteidigt Eva beim Elternabend ihr Kind. Felix sei bedrohlich, ja manchmal gefährlich, sagen die Eltern der anderen Kinder. So gehe es nicht weiter. Eva wird heftig. Schon zweimal habe er eine Schule verlassen müssen. Sie weigert sich, ihn in eine Sondereinrichtung zu schicken. Eine Einzelbetreuerin namens Elena wird eingesetzt. Sie holt Felix zuhause ab und sitzt im Unterricht neben ihm. Geduldig versucht sie jeden Vorfall mit ihm zu besprechen. Gleichzeitig entsteht eine Freundschaft mit einem Nachbarn namens Pelle, der einen kleinen Fischhandel betreibt. Bei Pelle fühlt sich Felix wohl, und auch Eva ist gerne mit ihm zusammen. Sie ist nicht mehr ganz allein. Allmählich erschließen sich dem Zuschauer die Schwierigkeiten: Wenn Felix etwas nicht passt wiederholt er seine Forderung monoton und wird dann abrupt aggressiv. Er wirft einen Schreibtisch um, und der fällt ausgerechnet auf Elenas Fuß. Er schlägt Türen, er läuft weg. Schließlich greift er seine Mutter an, und sie stürzt so unglücklich, dass sie mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus fahren muss. Auf eigenes Risiko geht sie wieder nachhause. Als sie am nächsten Tag mit Felix zur Schulpsychologin geht, bricht sie blutend zusammen. Die nächste Szene zeigt Felix in einem Heim, Eva und Pelle besuchen ihn.
„Zwischen uns“ ist einer jener angestrengt kunstvollen Filme, in denen der Zuschauer selbst die Lücken schließen muss. Wo sind wir gerade, was passiert hier? Warum ist Felix plötzlich in einer Einrichtung? Dieser Erzählmodus erzeugt Spannung, verlangt ständige Aufmerksamkeit, und ist anstrengend. Man erfährt sehr wenig über Felix Asperger-Syndrom, aber viel über die extreme Anspannung einer alleinerziehenden Mutter, die auch noch Geld verdienen muss. Ständig rennt Felix weg, ständig fehlt Eva auf der Arbeit, weil sie zur Schule gerufen wird, und es gibt Ärger. Sie hat permanent Angst um Felix, und vor dem, was als nächstes passieren wird. So demonstriert die grandiose Liv Lisa Frier (Berlin Babylon) in ihrer Rolle als liebende Mutter den unglaublichen Balanceakt einer ganz besonderen Elternschaft. Vermutlich liegt es an dem realistischen Drehbuch und den raschen Szenenwechseln, dass man am Ende reichlich erschöpft ist. Beinahe wie Eva.
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 02.06.2024