Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Alkoholabhängigkeit

Da es sich bei der Droge Alkohol um eine in unsere Kultur integrierte Droge handelt, die von etwa 90% der Bevölkerung konsumiert wird, ist zunächst die Unterscheidung zwischen normalem, schädlichem und abhängigem Trinken wichtig.

Normaler Konsum: Hier ist der Genuss entscheidend. Der Konsum findet innerhalb bestimmter, allgemein akzeptierter Regeln statt. Der Konsument hat Erfahrung mit der Substanz und der Form ihrer Anwendung: Er weiß, was und wie viel davon er verträgt. Der Gebrauch bleibt auf bestimmte Situationen beschränkt.

Schädlicher Konsum: Von schädlichem Konsum spricht man, wenn nachweisliche psychische
oder körperliche Schädigung vorliegt und trotzdem weiter konsumiert wird.

Der Übergang vom normalen zum schädlichen Konsum ist fließend. (...)

Diagnostische Leitlinien

Die Diagnose Alkoholabhängigkeit soll nur dann gestellt werden, wenn während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien vorhanden waren:

  1. ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Substanzen oder Alkohol zu konsumieren;

  2. verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Substanz- oder Alkoholkonsums;

  3. Substanzgebrauch mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern;

  4. ein körperliches Entzugssyndrom;

  5. Nachweis einer Toleranz: Um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichten Wirkungen der Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich;

  6. ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol oder der Substanz, wie z. B. die Tendenz, Alkohol an Werktagen wie an Wochenenden zu trinken und die Regeln eines gesellschaftlich üblichen Trinkens außer Acht zu lassen;

  7. fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums;

  8. anhaltender Substanz- oder Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen. Diese können körperlicher, sozialer oder psychischer Art sein.

Die psychische Abhängigkeit wird durch die unter Punkt 1 und 2 genannten Kriterien beschrieben. Die körperliche Abhängigkeit wird vor allem durch die unter 3, 4, und 5 genannten Kriterien. (...)

Die Entstehung der Alkoholabhängigkeit

Familiäre Faktoren

Wie bei anderen psychischen Problemen auch, hat die mikrosoziale Umwelt erheblichen Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit und zwar sowohl auf der biologischen als auch auf der sozialen Ebene.

Epidemiologie: Alkoholabhängigkeit eines Familienmitgliedes ist ein unumstrittener Risikofaktor. Wird in einer Familie Alkoholabhängigkeit diagnostiziert, so findet man mit großer Wahrscheinlichkeit auch Abhängigkeitserkrankungen in früheren Generationen, und mit großer Wahrscheinlichkeit werden auch in der nächsten Generation Abhängigkeitsprobleme entstehen. (...)

Genetische Faktoren: Es ist eine abgrenzbare Gruppe identifizierbar, bei der, wahrscheinlich genetisch bedingt, der Alkohol eine besondere Wirkung. (...)

Familienumwelt: Die Familienumwelt bedingt oftmals die indirekte Weitergabe der Suchterkrankung. (...)

Sozialkulturelle Faktoren

Soziokulturelle Faktoren wirken auf zwei Ebenen. Einerseits hat die Droge eine kulturelle Bedeutung, die zu speziellen Umgangsweisen führt. Andererseits gibt es soziale Belastungen, die bei der Entwicklung einer Abhängigkeit eine Rolle spielen können.

Persönlichkeitsfaktoren und psychodynamische Bedeutung des Alkohols

Dass alle Alkoholiker »willensschwache psychopathische Persönlichkeiten« sind, wird heute kaum noch behauptet. Bei Alkoholikern zu beobachtende »typische Verhaltensweisen« sind eher als Folgen der Abhängigkeit anzusehen und nicht Ausdruck gemeinsamer Persönlichkeitsmerkmale. Doch passt die Droge mit ihren besonderen Wirkungen immer zu den Bedürfnissen und Problemkonstellationen der Menschen, die sie benutzen. (...)

Komorbidität

Je eher Sucht als ein Symptom betrachtet wird, hinter dem sich weitere Problematiken verbergen, desto häufiger werden auch psychische Erkrankungen erkannt, die möglicherweise mit in die Sucht geführt haben. Psychiatrisch-diagnostisch werden bei vielen abhängigen Patienten weitere Diagnosen gestellt, vor allem depressive Störungen oder Störungen des Selbstwertgefühls, weiterhin Manie,  Panikattacken, Zwänge, Phobien, Schizophrenie, antisoziale Persönlichkeit und Borderline-Persönlichkeitsstörungen. (...)

Der lange Weg bis zur Diagnose

Eine Besonderheit dieser Krankengeschichten ist, dass sie oft sehr lang sind, ohne dass es zu einer einschlägigen Diagnose kommt, weil von allen Beteiligten die Abhängigkeit verleugnet wird. Zwischen dem Auftreten deutlicher Krankheitssymptome und der ersten Behandlung liegen etwa zehn Jahre. (...)

Medizinische Behandlung

Die Medizin hat wichtige Aufgaben bei der Behandlung der Alkoholproblematik und der Alkoholfolgeschäden. Ist der Alkoholmissbrauch bereits chronisch, wird jede Behandlung mit einer Entgiftung beginnen müssen.

Entgiftung: Im Allgemeinen wird die Entgiftung in der psychiatrischen Klinik durchgeführt, d. h., der gesundheitliche Zustand wird überwacht, bei Bedarf werden Entzugssymptome mit Psychopharmaka behandelt. (...)

Entwöhnung: Die Ergebnisse der Entgiftungsbehandlungen sind nicht nachhaltig, wenn es nicht gelingt, zur Weiterbehandlung zu motivieren. In den meisten Fällen geschieht dies immer noch in wohnortfernen Fachkliniken, es gibt aber auch zunehmend ambulante Behandlungsmöglichkeiten. (...)

Anti-Craving-Substanzen: Die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten sind in den letzten Jahren durch die Entwicklung von Substanzen erweitert worden, die bei Alkoholikern den »Suchtdruck« mildern können. (...)

Alkohol-Aversiva: z. B. Antabus®. Dies sind Mittel, die bei regelmäßiger Einnahme eine Aversionsreaktion im Falle eines Alkoholkonsums auslösen.

Literatur

Internetquellen

Letzte Aktualisierung: 22.03.2024