Der Begriff Borderline hat eine lange und verwirrende Geschichte. Ursprünglich wurde er zur Beschreibung eines Zustands an der Grenze (engl. Border) von Neurose und Psychose benutzt. Bei der heutigen Definition der Borderline-Persönlichkeitsstörung wird nicht mehr von einer "Verwandtschaft" zur Schizophrenie ausgegangen.
Die Diagnose Borderline ist eine ganz eigenständige psychische Störung mit vielen unterschiedlichen Symptomen. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes gilt nicht mehr. Betroffene können sich jedoch sehr gut mit der Wortbedeutung identifizieren: auf der Grenze gehen zwischen Normalität und Krankheit, zwischen Nähe und Distanz, zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Viele Borderliner haben Grenzverletzungen erlebt, sie können schwer Grenzen setzen.
Die ICD-10 verwendet den Begriff "Emotional Instabile Persönlichkeit" und unterscheidet dann noch einmal zwischen dem Impulsiven Typus und dem Borderline-Typus. Für eine Diagnose der "Emotional Instabilen Persönlichkeitsstörung" wurden bestimmte Kriterien festgelegt.
Beim Impulsiven Typus müssen mindestens drei der fünf folgenden Merkmale vorliegen. Das erste Merkmal muss allerdings unbedingt dabei sein:
Für die Diagnose des Borderline-Typus müssen mindestens drei der obigen Merkmale vorliegen und zusätzlich mindestens zwei der fünf folgenden Merkmale:
Die Störung wirkt sich auf die Gefühle und das Verhalten der Betroffenen aus. Sie verändert, wie Betroffene die Welt um sich herum erleben, und sie verändert ihre Identität. Es handelt sich um eine sehr komplexe Störung mit vielen unterschiedlichen Erscheinungsbildern. (...)
Dissoziation: Wenn ihre Gefühlswelt für die Betroffenen unerträglich ist, trennen sie das Erleben mitunter gänzlich von ihrem Bewusstsein. In diesem Augenblick haben sie keinen Zugang zu den Dingen. Manche fühlen sich, als schwebten sie, als betrachteten sie die Situation wie ein unbeteiligter Beobachter. (...)
Viele Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden darunter, kein eigenes Identitätsgefühl zu haben. Sie sind sich selbst irgendwie fremd und orientieren sich sehr stark an den Erwartungen der Umgebung. Für Freunde sind sie bereit, beinahe alles zu tun, ohne Rücksicht auf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse. Manche messen den eigenen Selbstwert nur am Lob von außen. Viele Betroffene wissen gar nicht genau, was sie selbst eigentlich wollen. Sie müssen angeleitet werden, dies herauszufinden. (...)
Annähernd 2 Prozent der Bevölkerung erfüllen die diagnostischen Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bei jungen Menschen sind allerdings über 6 Prozent betroffen, während in der Gruppe der über 40-Jährigen nur noch etwa 0,7 Prozent an der Störung leiden. (...)
Die meisten Forscher und Therapeuten nehmen ein biopsychosoziales Entstehungsmodell der Borderline-Persönlichkeitsstörung an, das eine Wechselwirkung zwischen genetischen Faktoren, traumatischen Erfahrungen und negativen Lernprozessen bzw. Verhaltensmustern berücksichtigt. (...)
Da viele Betroffene im Laufe ihres Lebens von anderen immer wieder niedergemacht, abgewertet oder abgelehnt wurden, ist es besonders wichtig, wohlwollend mit ihnen umzugehen. Versuchen Sie, Verständnis für ihre emotionalen Schwankungen zu entwickeln. Die Betroffenen können ihre Stimmungsschwankungen oft selbst kaum ertragen und verstehen. Wenn das Umfeld mit Ablehnung oder Abwertung reagiert, werden die negativen Gefühle nur noch verstärkt.
Eine wohlwollende, gelassene Reaktion vonseiten der Mitarbeiter wirkt dagegen beruhigend. Grenzen und Regeln machen eine Beziehung berechenbar, man weiß, worauf man sich einstellen kann. (...)
Grenzen zu erleben ist aber auch mit Frustrationen verbunden, insbesondere wenn Erwartungen enttäuscht werden. Gleichzeitig schaffen Grenzen Sicherheit für alle Beteiligten. Wenn keine Grenzen gesetzt werden, neigen Betroffene dazu, fortwährend Grenzen auszutesten. Manche Borderliner haben eine regelrechte Begabung, unklare Strukturen oder Informationslücken aufzuspüren. (...) Sie können Grenzen auf empathische Weise setzen, indem Sie die Gefühle und Enttäuschung nicht nur wahrnehmen sondern auch ansprechen. (...)
Borderliner sind meistens sehr interessiert daran, etwas über Borderline zu erfahren. Bei vielen besteht ein großes Bedürfnis, sich selbst besser zu verstehen. Für Betroffene gibt es viele Möglichkeiten, sich zu informieren: psychoedukative Gruppen, Einzelgespräche oder Selbsthilfeliteratur. (...)
Die Betroffenen können lernen, sich in alltäglichen Situationen selbst besser zu steuern. Dabei geht es vorrangig um den Aufbau von guten Gewohnheiten, wie beispielsweise bei beruflichen Tätigkeiten nicht alles auf einmal unter völliger Verausgabung zu verrichten. Sie lernen mit ihren Kräften zu haushalten und Pausen zu machen. Betroffene lernen, ihre perfektionistischen Ansprüche zu reduzieren und dass sie sich eingestehen können, dass sie Fehler machen. Sie können sich bewusst machen, dass sie nicht für alles verantwortlich sind und nicht sofort schuldig sind, wenn etwas nicht termingerecht fertig wird. (...)
In den Beziehungen – den Liebesbeziehungen, aber auch in Freundschaften – und in ihrem Freizeitverhalten tendieren Borderliner zu Extremen. Manchmal verausgaben sie sich in zu vielen und zu intensiven Beziehungen oder sie ziehen sich verzweifelt zurück. Dann leiden sie unter der Einsamkeit und stürzen sich vielleicht schon wieder in die nächste Beziehung. (...)
Ein weiterer Bereich der Selbststeuerung stellen gesundheitsförderliche Ernährungs-, Trink-, Schlaf- und Bewegungsgewohnheiten dar. Viele Betroffene leiden unter Essstörungen oder haben große Schwierigkeiten, genügend zu trinken. (...)
Im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungen wurden verschiedene Strategien (engl. Skills) zur Verbesserung der Selbststeuerung entwickelt, die von vielen Betroffenen weiterempfohlen und genutzt werden. Nachfolgend ein kurzer Überblick: Unter Skills versteht man in der Dialektisch-Behavioralen Therapie Fertigkeiten, die helfen, die Anspannung zu reduzieren und ohne Selbstschädigung aus krisenhaften Situationen herauszufinden. Diese Skills werden meist in "Skillsgruppen" eingeübt. Skillsgruppen werden oft im Rahmen einer stationären oder ambulanten Behandlung angeboten. Die eingeübten Fertigkeiten beziehen sich auf sechs Bereiche:
In Krisenzeiten erinnern sich die Betroffenen nicht immer daran, was sie eigentlich tun können, wie sie ihre Anspannung loswerden können, ohne sich selbst zu schaden. Selbsthilfestrategien sind präsenter, wenn sie in einen Notfallkoffer gepackt werden. Die Idee beinhaltet, dass die Betroffenen ihre persönlichen Krisenhilfen immer bei sich haben. (...)
Selbstverletzendes Verhalten bei Borderlinern ist eines der schwierigsten Thema: Wenn Menschen sich selbst schneiden oder verbrennen, erzeugt das viel Unsicherheit. (...) Für Betroffene ist es hilfreich, wenn ihre Not gesehen wird und gleichzeitig ein sachlicher Umgang mit Selbstverletzungen möglich ist. Konkret bedeutet dies, dass Wunden angemessen versorgt werden. Bei tieferen Verletzungen kann das auch bedeuten, gemeinsam mit den Betroffenen einen Arzt aufzusuchen.
Letzte Aktualisierung: 29.11.2024