Was genau ist Inklusion? Wie lässt sich Inklusion im Verhältnis zu anderen Begriffen wie Integration, Teilhabe, Partizipation verstehen bzw. unterscheiden? Was bedeutet Inklusion für Menschen mit psychischen Erkrankungen? Bestehen gesellschaftliche Barrieren hier vor allem in negativen Einstellungen, Stigmatisierung und den sozioökonomischen Folgen bzw. Wechselwirkungen oder (auch) in einer gesellschaftlichen Verdrängung seelischen Andersseins, die bereits angesichts nackter epidemiologischer Daten zu hinterfragen wäre?
Was braucht es, um eine »Willkommenskultur« für Betroffene im Gemeinwesen zu etablieren? Wie lässt sich Zugehörigkeit im Sozialraum fördern? Welche Rolle spielen dabei Trialog und die Beteiligung von Peers? Wie sehen geeignete Handlungskonzepte aus und wie können Akteure im Rahmen von Weiterbildung zu inklusiver Arbeit im Sozialraum befähigt werden?
Auf all diese Fragen gibt das vorliegende Buch keine abschließenden Antworten, aber es wirft sie auf und liefert eine Vielzahl von Anregungen, Reflexionen und Praxisbeispielen. Ausgangspunkt ist das Projekt »Miteinander inklusiv« der Diakonie Deutschland, in dem über vier Jahre an fünf Standorten in Orientierung an dem niederländischen Konzept »Kwartiermaken« Ansätze entwickelt wurden, inklusive Sozialräume für und mit Menschen mit Psychiatrieerfahrung zu fördern. Dabei wurden Konzepte wie Empowerment, Ex-In und Trialog einbezogen, wobei Herausgebenden selbstkritisch konstatieren, dass es nicht gelungen sei, die Angehörigenperspektive adäquat einzubinden.
Die Autorinnen und Autoren formulieren Erwartungen an Inklusion und Barrieren aus Betroffenensicht, beschreiben den Ansatz »Kwartiermaken« (u. a. in einem Beitrag von Doortje Kal), formulieren Grundzüge und Widersprüche eines diakonischen Inklusionsverständnisses, beschreiben Handlungskonzept und Methoden der Modellprojekte und gehen auf die Erfahrungen an den verschiedenen Projektstandorten ein.
Methodik und Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation werden überblicksartig beschrieben und kritisch reflektiert. Als Ergebnis des Projektes wird u. a. ein Modulkatalog für eine Weiterbildung in sozialraumorientierter Gemeindepsychiatrie vorgestellt. Die Projektergebnisse werden in Interviews mit Experten aus Erfahrung und Wissenschaft kritisch diskutiert und durch reflektierende Gedanken zur Inklusionsthematik von Markus Schäfers ergänzt. Ein abschließendes Fazit enthält konkrete und diskussionswürdige sozialpolitische Empfehlungen.
Der Band enthält wichtige und (selbst-)kritische Reflexionen zum Thema Inklusion in der Gemeindepsychiatrie und zum Teil spannende und beeindruckende Einblicke. Einige Berichte sind aber auch etwas allgemein geraten. Thematisch wirkt das Buch etwas überladen und zum Teil fehlt auch etwas der innere Zusammenhang, was wohl dem Umstand geschuldet ist, ein sehr komplexes Projekt zusammenfassend darstellen zu müssen. Insgesamt aber eine empfehlenswerte und anregende Lektüre und ein guter Ausgangspunkt für die weitere Reflexion und Diskussion über ein Thema, das uns noch viel beschäftigen wird.
Henning Daßler in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024