Integration in die Gemeinde kann nur von Bürgern geleistet werden. Dieser Satz von Klaus Dörner gehört inzwischen zum allgemeinen Gedankengut der Gemeindepsychiatrie. Gleichwohl ist die Umsetzung dieses Prinzips alles andere als ein Selbstläufer. Gesellschaftliche Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen wie auch Vorurteile der Professionellen gegenüber der Überforderung von Laien haben das bürgerliche Engagement in der Vergangenheit oft gehemmt.
Mit dem durch die UN-Behindertenrechtskonvention verbürgten Recht auf Inklusion wird die Einbeziehung der Bürger bei der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu einem Muss. An der "verlässlichen bürgerschaftlich engagierten Gemeinde" (S. 14) setzen die beiden Herausgeber in ihren Editorials an.
Achim Dochat begründet in einem einleitenden Artikel aus der Sicht der Einrichtungsträger den unverzichtbaren Beitrag des bürgerschaftlichen Engagements. Die Bürgerhilfe helfe, die Verbindung zwischen den gemeindepsychiatrischen Einrichtungen und der "natürlichen" Gemeinde zu halten. Nach einem kurzen Beitrag eines Gründungsmitglieds des Landesverbandes Bürgerhilfe Bayern über dessen Entstehung, präsentiert das zweite Kapitel acht Praxisberichte aus verschiedenen Regionen Bayerns. Die Heterogenität der Beispiele zeigt, dass das Engagement als solches wichtiger ist als professionelle Standards.
Gefolgt wird das Kapitel von fünf Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven, in denen auch die Selbsthilfe der Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen zu Wort kommt. Abgerundet wird der Band durch einen Ausblick, in dem Gerd Schulze auf Grundlage seiner langjährigen Erfahrung das bürgerliche Engagement als Teil einer neuen Netzwerkkultur entwirft.
Das erfreulich schlanke Buch ist allen psychiatrisch engagierten Menschen – auch außerhalb Bayerns – zu empfehlen. Die Erfahrungen sind durchaus übertragbar. Insbesondere sei es aber gemeindepsychiatrischen Einrichtungen empfohlen. Entgegen der Befürchtung von Konkurrenz finden sie viele Beispiele, welchen Nutzen ihre Klienten auf dem Weg in die Normalität haben.
Michael Konrad in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024