Wenn jemand aus persönlichen oder beruflichen Gründen mit der forensischen Psychiatrie konfrontiert wird, ist die Ratlosigkeit groß. Dies unter anderem auch deshalb, weil die Begrifflichkeiten, mit denen man sich auseinandersetzen muss, mindestens eine Herausforderung, oft eine Überforderung sind. Der Psychiater Josef Sachs und der Pflegefachmann Miro Barp leisten mit ihrem »Forensiklexikon« einen großen Dienst.
Das Taschenbuchformat nimmt beispielsweise Betroffenen wie Angehörigen forensisch untergebrachter Menschen die Angst, sich mit Forensik zu beschäftigen. Absolut überzeugend ist, wie Barp und Sachs die schwierig nachzuvollziehenden und oft unverständlichen Termini auf eine Anschaulichkeit und Verständlichkeit herunterbrechen, von der auch professionell Tätige in hohem Maße profitieren werden. Nach dem Wunsch der Autoren, die beide langjährige Erfahrungen in der forensischen Psychiatrie haben, soll das Buch dazu beitragen, »dass man nicht aneinander vorbeiredet, sondern mit dem gleichen Wort auch das Gleiche meint« (S. VI). Dieses Ziel erreichen Barp und Sachs auf jeden Fall.
Während man sich erst durch das Inhaltsverzeichnis und anschließend durch die vielen Artikel durcharbeitet, hat man den Eindruck, dass die beiden Forensikexperten vollumfänglich ihre Arbeit erledigt haben und sich damit auch in der (forensisch-)psychiatrischen Fachwelt deutlich positionieren. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für sie »ein wesentliches Charakteristikum der stationären forensischen Psychiatrie« (S. 90). Interdisziplinarität bedeutet für die beiden »nicht ein Nebeneinander von verschiedenen beruflichen Ansätzen, sondern deren Zusammenführen zu einem Ganzen. Mitarbeitende aller Disziplinen erkennen dabei die Grenzen der eigenen Kompetenzen und Zuständigkeiten und handeln dementsprechend in ihrem Fachbereich« (S. 90).
Trotz allem zeigt sich, dass ein lexikalisches Buch niemals vollendet sein wird. So sind sicher einmal die »Experten aus Erfahrung« in das »Forensiklexikon« einzupflegen.
Bei der Beschreibung der Milieutherapie wäre es sinnvoll gewesen, den Begriff noch konkreter zu definieren. Schließlich ist forensische Milieutherapie mehr als »die gezielte Steuerung von Umgebungsvariablen auf einer Station mit dem Ziel, das prosoziale Denken, Fühlen und Handeln der Patientinnen und Patienten zu fördern« (S. 116).
Sicher wäre es auch spannend, psychosoziale Interventionen als Interventionsmoment vorzustellen, bei denen untergebrachte Menschen in einem geschützten Rahmen gesellschaftliche Wirklichkeit erleben können.
Das alles sind aber keine grundsätzlichen Einwände. Mit dem »Forensiklexikon« haben Sachs und Barp ein Buch gemacht, das eine Nische ausfüllt. Mit ihrem Kenntnisreichtum und ihrer Professionalität setzen sie ein deutliches Zeichen in die Fachwelt, aber auch in die Gesellschaft hinein. Der Ratlosigkeit setzen sie ein großes Erfahrungswissen und eine ausgezeichnete Sachkenntnis entgegen. Vom »Forensiklexikon« kann man nur profitieren.
Christoph Müller in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024