Wem Psychopharmaka verordnet werden, der hat oft viele Fragen und berechtigte zwiespältige Gefühle. Ich habe als Psychiatrie-Erfahrene und Mitglied von Selbsthilfegruppen über viele Jahre folgende Beobachtungen gemacht: Die verordnenden Ärzte haben meist wenig Zeit, ihre Entscheidungen zu begründen, oder auch nicht das Talent, die dahinter stehende Idee und die Wirkungsweise der Medikamente verständlich zu machen.
Die Beipackzettel enthalten überhaupt keine Informationen darüber, wie das Medikament wirkt, sondern nennen meist nur alle möglichen Anwendungsgebiete, was für uninformierte und ängstliche Patienten durchaus zu Zweifeln führen kann, welche Erkrankung sie denn nun haben sollen. Die Informationsbeschaffung über das Internet ist in meinen Augen oft wenig zuverlässig und vor allem zeitaufwändig, wenn man ein vollständiges Bild haben möchte. Die üblichen Patientenratgeber, sofern es sich nicht ohnehin um Werbung handelt, nennen in der Regel die Medikamente nicht beim Namen, sondern geben meist nur Hinweise auf die verschieden Gruppen der Wirkstoffe, z.B. Mittel zur Phasenprophylaxe, atypische Neuroleptika, Antidepressiva etc.
Das vorliegende Buch ist eine leicht und ohne medizinisches Wörterbuch lesbare, über eine Übersicht hinausgehende Informationsquelle dazu, wie sich die Schulmedizin heute die Ursachen der seelischen Erkrankungen erklärt und mit welchen Ratschlägen zur Selbsthilfe, mit welchen Therapien und vor allem mit welchen Medikamenten sie dagegen ankommen will. Besonders hilfreich für Betroffene in der Verständigung mit Sachfremden könnten die guten Beschreibungen der verschieden Krankheitsbilder sein. Mit relativ wenig Aufwand kann der Leser hier die Fähigkeit erwerben, recht kompetent mitzureden, wenn es um seine Gesundheit geht.
Manch andere Autoren von Ratgebern und viele Ärzte und Ärztinnen könnten von der Autorin lernen, wie man aus dem Fachchinesisch ins Deutsche übersetzt, denn nicht jeder Patient ist so sprachbegabt, dass er zusätzlich zu seinen sonstigen Problemen auf die Schnelle auch noch eine Fremdsprache lernen kann.
Fazit: Wer sich als medizinischer Laie mit dem Konzept anfreunden kann, dass seelische Erkrankungen auf einer Funktionsstörung des Gehirns beruhen könnten, dazu weitergehende Infos sucht und kein todernstes Buch zu einem für manche doch sehr schmerzlichem Thema erwartet, wird hier von einer Psychiaterin mit optimistischer Grundhaltung gut bedient. Ganz aktuell empfehle ich dieses Buch auch denen, die den tendenziösen Film »Der Exorzismus der Emily Rose« gesehen haben und deshalb Angst haben, sie selbst oder jemand in ihrer Umgebung könnte besessen sein, als Wirkstoff für die Seele.
Elisabeth Haap in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024