Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Eine kurze Geschichte der Trunkenheit

Vorweg ist zu sagen, dass für die hartgesottenen Suchttherapeuten die Lektüre dieses Buches eine grausame Qual werden dürfte. Zu heiter und zu spielerisch dürfte aus ihrer Sicht der Autor mit dem Schicksal Millionen oder Milliarden (?, über die Jahrtausende) Alkoholabhängiger umgehen.

Das Buch beginnt schon mit einer Überraschung. Der Autor gesteht, dass er überhaupt nicht wisse, was Trunkenheit sei. Das mag ein merkwürdiges Geständnis sein für einen, der darüber schreibt. Aber, wenn sich Autoren durch Kleinigkeiten, wie etwa Unkenntnis in einer Sache, vom Schreiben abhalten lassen würden, wären die Buchhandlungen leer. Immerhin wisse er grob, um was es gehe.

Hier passt eine Bemerkung von Joseph von Westphalen in seinem Buch »Das Leben ist hart. Über das Saufen und weitere Nachdenklichkeiten zur Erziehung der Menschheit « (2002, S. 74), deren Erwähnung uns die Selbsthilfe und die mit ihr verbundenen Institutionen verzeihen mögen: »Am unerträglichsten aber sind die schweren Alkoholiker, wenn sie wichtigtuerisch an die Öffentlichkeit treten und erfolgreich von sich behaupten, sie seien ein gesellschaftliches Problem.«

Nach diesem prächtigen Zynismus und zugleich der Warnung vor der Heroisierung der Alkoholisten und ihrer Leistungen beim Trinken und in der Kultur, soll noch einmal betont werden, dass die meisten Alkoholabhängigen mit ihrem Trinken gewissermaßen in einem Arbeitsgang dem Genuss und der Selbstbestrafung frönen oder, wie kein Geringerer als Theodor Wiesengrund Adorno einmal, wohl im Hinblick auf deren von ihm nicht goutiertes Aussehen, über die englischen Prostituierten rechtete: »Sie würden zur Sünde zugleich die Höllenstrafe mitliefern!« (Adorno 1978)

Mit großer Gewissenhaftigkeit, Tiefgang, Humor und Detailreichtum werden uns dann von Forsyth die Trinksitten, beginnend mit den Sumerern, Ägyptern, Griechen oder Chinesen nahegebracht. Das Konvivium der Römer wird in allen Facetten dargeboten, Alkoholkonsum im Nahen Osten besprochen, die alten Azteken, aber auch die Australier kommen zu ihrem Recht, ihre Trinkgewohnheiten dargestellt zu sehen. Natürlich darf Mütterchen Russland nicht fehlen und auch die Prohibition geht erwähnungstechnisch nicht leer aus. Interessant ist auch, dass der Autor ausführt, wie unsere Vorfahren nicht versehentlich volltrunken waren, sondern gezielt darauf abhoben.

Man betrank sich absichtlich, systematisch und öffentlich, jedenfalls bei den Griechen. Auch aus der Bibel kann man reichlich Met ziehen, was die Konsumvarianten und deren Auswirkungen angeht. Dass den Menschen im Mittelalter nichts anderes übrig blieb, als Alkohol zu trinken, ergebe sich aus dem zweifelhaften Zustand ihrer Trinkwasserversorgung. Wir wissen ja auch von Hildegard von Bingen, dass sie im Ausnahmefall auch einmal den Konsum von Wasser zuließ.

Erfreulich ist, dass der Autor seinen Lesern bzw. Käufern eine umfangreiche Bibliografie zur Verfügung stellt. Ein schweres Versäumnis ist allerdings, dass er Kruses, Körkels’ und Schmalz’ Alkoholismusbuch mit literarischen Beispielen, erschienen im Psychiatrie Verlag, nicht ausdrücklich erwähnt. Da ich in meiner Verzeihensfähigkeit weiterhin unübertroffen bleiben will, muss ich zum Ende dieser kurzen Besprechung doch noch einmal hervorheben, wie sehr mich das Buch leichter Hand einerseits amüsiert und anderseits belehrt hat. Es war, Verzeihung, das nackte Vergnügen.

Gunther Kruse in Sozialpsychiatrische Informationen

Letzte Aktualisierung: 26.04.2024