Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
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Psychiatrie Verlag

Back to black

Noch Stunden später wummern die Bässe in der Magengrube. Amy Winehouse’ vermeintliche Stimme verfolgt mich noch länger.

Vor Jahren hat mich bereits die Dokumentation »Amy« beeindruckt; die jetzt in den Kinos und einigen Streamingdiensten zu sehende Filmbiografie »Back to Black« legt nach.

Das Phänomen »Abhängigkeit« wird in all seinen Facetten am lebenden Objekt vorgestellt. Amy konsumiert vor allem Alkohol und Cannabis, später auch härtere Drogen. Sie entwickelt eine Bulimie. Das begabte Mädchen Amy wächst in London in einer lebhaften, sangesfreudigen jüdischen Familie auf. Sie hängt ganz besonders an ihrer Großmutter, genannt »Nanny«, mit der sie eine Leidenschaft für Jazz und die sechziger Jahre teilt. Amy tritt schon früh mit eigenen Songs auf. Im Laufe der Jahre steckt sie sich die langen schwarzen Haare zu einer Bienenkorbfrisur auf. Zusammen mit ihrem breiten Lidstrich wird dieser Retro-Style zu ihrem Markenzeichen. Sie hat rasch Erfolg, und wird vor allem von ihrem Vater unterstützt und begleitet. Der Tod ihrer Nanny trifft sie hart. Doch die entscheidende Wendung ist die Beziehung zu ihrem Freund und zeitweisen Ehemann Blake Civil-Fielder. Sie fährt auf ihn ab, sie fällt über ihn her und kann ohne ihn nicht mehr leben. Blake hat zunächst noch eine andere Freundin, und er konsumiert harte Drogen. Amy ist bereits berühmt, als Blake ins Gefängnis muss.

Die Handlung scheint authentisch zu sein; so sind es vermutlich auch jene peinlichen Bekenntnisse zu Blake und ihrer Liebe zu ihm, mit denen sie unter dem Gejohle des Publikums ihre Songs ankündigt. Sie lässt sich immer neue Tattoos stechen, und die Drogen werden härter. Immer häufiger wankt sie von der Bühne.

Ein Blick in Wikipedia verrät einige Leerstellen dieses Biopics: Eine lange Entwöhnungsbehandlung auf San Lucia wird nicht erwähnt; auch das Einreiseverbot in die USA zur Übergabe des Grammy fehlt. War nun zusätzlich zu ihrer komplexen Abhängigkeit auch eine psychische Störung diagnostiziert? Man erfährt es nicht. Unstrittig ist, dass sie mit 27 Jahren nach langer Abstinenz an einer Alkoholvergiftung verstorben ist.

Aber vielleicht sollte man »Back to Black« gar nicht argwöhnisch nach biografischen Details durchsuchen, sondern einfach genießen. Marisa Abela in der Hauptrolle ist visuell und akustisch absolut umwerfend – sie hat die Songs selbst eingesungen. Jack O’Connell verkörpert den Tunichtgut Blake so charmant, dass man ein ganz klein wenig nachvollziehen kann, weshalb diese Diva ihm so tödlich verfallen war.

Ilse Eichenbrenner in Soziale Psychiatrie

Letzte Aktualisierung: 08.11.2024