in Klassiker des Psycho-Films ist seit Juli 2013 endlich wieder – nun als DVD - käuflich zu erwerben. Bereits der autobiographische Roman von Joanne Greene, den sie 1964 unter dem Pseudonym Hanna Green veröffentlicht hat, wurde in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Szene der Siebziger aufmerksam rezipiert. Für viele war er verknüpft mit Studium, Praktikum und Beginn der Arbeit in der Psychiatrie. Hannah Green schilderte darin die Geschichte ihrer schizophrenen Störung und die psychoanalytische Behandlung durch Frieda Fromm-Reichmann, im Buch als Dr. Fried verewigt.
Dieser Roman war einer der ersten, der dem Leser Einfühlung in psychotisches Erleben gab, und der Hoffnung auf einen psychotherapeutischen Behandlungsansatz versprach. Der Film war insbesondere in den deutschen Programmkinos ein großer Erfolg; für viele ist er bis heute der Psycho-Film schlechthin. Überprüfen wir unsere Erinnerung!
Deborah wird von ihren Eltern in die psychiatrische Privatklinik gebracht. Sie hat versucht sich zu suizidieren; Ursache könnte eine sehr schmerzhafte Erkrankung und Operation der Harnröhre sein. Das Mobbing, dem sie wegen ihrer jüdischen Herkunft in der Schule ausgesetzt ist, und das im Buch durchaus eine Rolle spielt, fehlt im Film vollständig. Deborah halluziniert bunte, wilde Gestalten eines Fantasiereiches namens Yrie, unter denen sie zeitweise lebt und deren blutigen Ritualen sie ausgesetzt ist. Der Anführer „Perry“ spielt die entscheidende Rolle. Deborah spricht eine Geheimsprache, mit der sie sich in Yrie verständigt.
Im wahren Leben brennt sie sich tiefe Löcher in die Arme. Der Film beobachtet über viele Sequenzen hinweg – analog zum Kuckucksnest – das turbulente Leben auf einer Station für Schwerstgestörte, auf der Deborah nun Wochen, Monate und Jahre verbringen muss. Es sind Frauen die schreien, zudringlich werden, tanzen oder starr in der Ecke stehen. Neben den Einzelgesprächen bei Fr.Dr. Fried, verkörpert von Bibi Andersson, gibt es vor allem Kältepackungen zur Beruhigung. Medikamente scheinen (noch) keine große Rolle zu spielen. Ständig rastet jemand aus, Alarm wird ausgelöst und Pfleger rennen über die Flure. Stets folgt die Fixierung im Kältebett, bis der Puls schwach genug ist. Immer neue Krisen produziert die Dynamik auf der Station: Eine Patientin, die als Hoffnungsträgerin gegolten hat, wird wieder eingeliefert. Ein sadistischer Pfleger wird überführt und entlassen und die Nachricht von seinem Selbstmord schockiert die Patientinnen.
Allmählich gelingt es Dr. Fried eine vertrauensvolle Beziehung zu Deborah aufzubauen und sie durch Analyse und Verständnis zu ermutigen, in der realen Welt zu bleiben. Immer seltener muss sie nach Yrie flüchten oder sich selbst verletzen. Der Wendepunkt ist gekommen als Deborah eines Tages echte, wirkliche Schmerzen empfindet. Triumphierend stolziert sie über den Flur. Das Happy-End kulminiert im Besuch eines Baseball-Spiels außerhalb, bei dem Deborah ein grandioser Ballwurf gelingt und sie vor Freude darüber Räder schlägt. Mit einer Freundin wagt sie es, ein Leben außerhalb der Anstalt zu planen.
„Ich habe Dir nie einen Rosengarten versprochen“ hält auch bei der erneuten Projektion, was einst versprochen wurde. Wir bekommen einen spannenden, schockierenden und zeitweise tragik-komischen Blick in das Innere der Schlangengrube, damals noch nicht neuroleptisch lahmgelegt. Als nahezu erste filmische Umsetzung einer Innenansicht des Wahnsinns scheint mir der Film noch immer beispielhaft. Anders als in „A beautiful mind“ sind die optischen Halluzinationen als Flucht vor Stress und Einsamkeit für den Zuschauer nach- und einfühlbar und szenisch gut integriert. Manches mag überzogen sein und kaum zu glauben; doch ging es uns bei der ersten Begegnung mit der Psychiatrie nicht ebenso?
Ilse Eichenbrenner
Letzte Aktualisierung: 12.06.2024