Halt für Menschen in suizidalen Krisen zu geben, dürfte eine der großen Herausforderungen für Fachleute im psychosozialen Bereich sein. Die Wahrscheinlichkeit, damit im Berufsleben bereits konfrontiert worden zu sein, ist groß, weil die Suizidrate unter psychisch kranken Menschen besonders hoch ist. Daneben wird in Fachkreisen selten die gegenüber der Durchschnittsbevölkerung höhere Suizidalität unter Ange-hörigen helfender Berufe thematisiert. So beschreiben die Autoren aus ihrer jahrelangen Erfahrung mit betroffenen Menschen und durch Fortbildung und Supervision, dass Suizidalität häufig aus »guten« Gründen eher übersehen wird. Sie »brechen« mit dem Buch das Schweigen über Suizidalität und räumen mit Tabus auf, wie etwa der Annahme, dass Nichtthematisierung von Suizidalität Suizide verhindern oder im Umkehrschluss das Reden darüber »tödliche Konsequenzen« haben könnte.
Selbst Halt zu finden im Umgang mit eigenen Ängsten und Unsicherheiten, ist die Basis, um handlungsfähig zu bleiben und wirksame Interventionen auswählen zu können. Dorthin führt das Autorenteam die Lesenden. Dabei gelingt es ihnen auf eingängige Weise, den Beziehungsaspekt mitzutransportieren. Auf die Ermutigung, Suizidalität zum Thema zu machen, folgt die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld zwischen Anmaßung und Verpflichtung hinsichtlich der Forderung, Suizide zu verhüten. Fakten, Hintergründe und Parameter zum Erkennen und Beurteilen von Suizidalität, Grenzen und Möglichkeiten von Krisenintervention und Prävention schließen sich an. »Fallstricke« und Folgen von Suiziden wie der Werther-Effekt und der Umgang mit Angehörigen und Mitpatientinnen und patienten der verstorbenen Menschen werden vermittelt. In den Hilfen für Helfende werden u.a. Dynamiken in der Beziehungsgestaltung dargelegt. So gilt es eigene Emotionen von denen der Klientinnen und Klienten abzugrenzen und daraus Handlungsstrategien und Selbstfürsorge abzuleiten. Ein besonderes Plus des Buches ist der Verweis auf Hilfeangebote für junge Menschen.
Ein großartiges Buch für den Praxisalltag, das nicht zuletzt über das Format der Merksätze im Klappentext Antworten und Anknüpfungspunkte bietet. Das Buch ist so geschrieben, dass auch einzelne Kapitel gelesen werden können, die bei der Suche nach einer bestimmten Problemstellung helfen oder die gedankliche Auseinandersetzung z. B. mit Fragen nach Ethik o. Ä. erleichtern.
Das Buch wendet sich an Fachpersonen im psychosozialen Bereich, auch an dort Tätige mit bereits langjähriger Berufserfahrung. Ebenso ist Auszubildenden und Studierenden zu wünschen, dass ihnen dieses Buch auf ihrer Suche nach Halt bei Fragen zur Beziehungsgestaltung mit Menschen in Krisen begegnet. Ein Buch, das in jeder psychosozialen Einrichtung im Fachbuchregal vorhanden sein sollte.
Christiane Tilly in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 17.04.2024