Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
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Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Schizophrenie ist scheiße, Mama!

Mit 17 Jahren erkrankt die Tochter der Autorin an Schizophrenie. Es folgt eine 15-jährige Reise mit vielen Stationen in Krankenhäusern, im betreuten Wohnen, mit immer neuen Krisen, mit aggressiven Ausbrüchen. Aber auch mit Ausbildungs- und Arbeitserfolgen, mit einer langsam wachsenden Akzeptanz für die Erkrankung und dem steinigen Weg zu Recovery.

Am Anfang die Diagnose

Am Anfang steht eine unverständliche und Widerstand provozierende Diagnose: Schizophrenie, was soll das heißen? Was also heißt Schizophrenie für die Tochter? Aus ihr unverständlichen Gründen in einem Krankenhaus eingesperrt zu werden. Rauszufliegen aus dem Internat. Immer zu wenig Geld zu haben. Mit den Medikamenten dick zu werden, aber ohne sie erneut im Krankenhaus zu landen.

Und was heißt Schizophrenie für die Mutter? Anschuldigungen und Anfeindungen durch die Tochter zu erdulden. Oft in großer Sorge um die Tochter zu sein. Immer wieder vermitteln zu müssen, damit die Tochter die bestmögliche Hilfe erhält. Einen Teil des eigenen sozialen Umfelds zu verlieren. Es ist beeindruckend zu lesen, wie Frau Berg-Peer an der Seite ihrer Tochter bleibt und sie durch dick und dünn begleitet. Wie sie immer wieder praktische Hilfe leistet, von Finanzspritzen bis hin zur Wohnungssuche und unzähligen beratenden Gesprächen. Frau Berg-Peer war oft die Einzige, die zwischen Obdachlosigkeit, finanziellem Ruin und völliger Einsamkeit ihrer Tochter stand.

Der Herausforderung gestellt

Auch wenn ich selbst Betroffene bin und mich so leichter in die Situation der Tochter wie der Mutter einfühlen kann, so weiß ich doch, dass ein schizophrenes Kind wahrscheinlich eines der schwersten und undankbarsten Schicksale ist, das in der ganzen weiten Welt zu finden ist. Was das Kind, die Psychiatrie und die Gesellschaft den Eltern zumuten, ist selbst Wahnsinn. Frau Berg-Peer hat sich dieser Herausforderung gestellt. Und sie hat viel erreicht.

Heute arbeitet ihre Tochter wieder, sie will das Abitur nachholen und sucht sich diejenige Hilfe, von der sie wirklich profitiert. Für den Mut, zu ihrem Kind zu stehen, für ihren Einsatz möchte ich ihr danken. Viele Betroffene machen ihre Eltern verantwortlich für ihr Unglück. Frau Berg-Peer zeigt, dass eine ganze Reihe von Eltern, die bei den Kindern bleiben und sie unterstützen, auch für ihr Glück mitverantwortlich ist.

Unausweichlichen Schuldgefühle

Etwas, das mich beim Lesen sehr berührt hat, war auch, wie Frau Berg-Peer über die unausweichlichen Schuldgefühle spricht. So berichtet sie, wie sie bei einem Vortrag über die Ursachen der Schizophrenie saß und der Referent ausführte, dass auch das frühkindliche Umfeld, und damit also die Mutter, mit für die Vulnerabilität verantwortlich sein kann. Wie Frau Berg-Peer sagt: "Das Publikum nickt wissend, wir anwesenden Mütter blicken schuldbewusst zu Boden."

Auch ich erinnere mich an eine "trialogische" Diskussion auf einer Intellektuellenparty in meiner Studienzeit: Ein Psychiater meinte, dass viele von den kranken Menschen keine Erwachsenenfähigkeiten hätten und darum wahrscheinlich im Leben scheitern würden, ihre Chancen nicht nutzen könnten. Eine Bürgerin meinte daraufhin: "Wo waren denn die Eltern, als das Kind heranwuchs?" Also auch da ist es irgendwie selbstverständlich, dass die Eltern etwas falsch gemacht haben, wenn die Kinder Entwicklungsdefizite haben. Dieses Mit-Fingern-Zeigen auf die Eltern und vor allem die Mütter ist grausam!

Alle Eltern machen Fehler

Alle Eltern machen Fehler, das weiß ich selbst sehr gut. Ein Kind hat auch nicht Anspruch darauf, dass die Eltern perfekt sind. Aber es hat, denke ich, einen Anspruch auf die Liebe und Unterstützung seiner Eltern. Nur wenn diese fehlt, würde ich sagen, dass den Eltern Schuld zukommt. Frau Berg-Peers Buch zeigt, was diese Liebe und Unterstützung für den kranken Menschen erreichen können. Ein jeder, der wissen möchte, was es bedeutet, ein schizophrenes Kind zu haben, welche Themen und Fragen dabei aufkommen, welche Hilfe man versuchen muss zu leisten – der möge dieses Buch lesen, das nicht nur durch seinen Inhalt, sondern auch durch seine klare und eindringliche Sprache überzeugt. Schön, dass sich mit dem Fischer Verlag ein großer Taschenbuchverlag dieses Themas angenommen hat.

Herausgekommen ist ein Buch, das die schwierigen, aber auch die schönen Momente im Leben mit Schizophrenie vorstellt. Ein Buch, das auch Betroffene lesen sollten, bevor sie ihre Eltern verurteilen. Niemand weiß, warum manche Menschen an einer Psychose erkranken. Aber mit diesem Buch kann jeder wissen, wie hilfreich Eltern sind, die sich dieser Herausforderung stellen.

Svenja Bunt in Psychosoziale Umschau

Letzte Aktualisierung: 17.04.2024