Klaus Gauger beschreibt den Verlauf seiner Krankheit über zwanzig Jahre. Wir erfahren von einem begabten jungen Mann, der eine akademische Laufbahn anstrebt. Die Probleme beginnen mit diffusen Ängsten und Depressionen, Psychotherapie hat keinen Effekt, dennoch studiert er erfolgreich. Dann treten aber Verfolgungsideen auf, er fühlt sich überwacht, wird aggressiv, greift seine Mutter an. Er wird in eine Psychiatrie gebracht, der aufnehmende Arzt »erzeugt hauptsächlich Druck«. Nach einer gerichtlichen Entscheidung muss er sich auf eine stationäre, medikamentöse Behandlung einlassen. Seine Diagnose erfährt er nicht, seine Eltern werden nicht informiert, er empfindet die Behandlung als mitleidslos und entwürdigend.
Die Medikamente führen zu einer starken Gewichtszunahme und dämpfen den Wahn nur, nach einer späteren Dosisreduktion blüht er wieder auf. Dennoch: Klaus Gauger »funktionierte relativ gut«, er schafft das Referendariat am Gymnasium, erreicht einen Magisterabschluss, promoviert und erst nach dem zweiten Staatsexamen geht es ihm schlechter, er kann eine gute Stelle nicht antreten. Es folgt eine »wild galoppierende Paranoia«, eine hundert Tage dauernde Irrfahrt durch Europa, Kanada, Japan, USA und zurück.
Schließlich landet er völlig verzweifelt und verwahrlost in der Psychiatrie einer spanischen Kleinstadt. Dort wird er freundlich und verständnisvoll aufgenommen. Man konfrontiert ihn mit seiner Diagnose. Der psychiatrische Oberarzt erklärt ihm in aller Ruhe, es gäbe nach einer richterlichen Entscheidung zwei Möglichkeiten: entweder eine sechsmonatige stationäre Behandlung oder eine Depotspritze. Er entscheidet sich für letztere. Er fühlt sich gut aufgehoben und seine Eltern werden einbezogen. Das Medikament schlägt glücklicherweise nach zwei Wochen an, die Nebenwirkungen halten sich in Grenzen. Zum ersten Mal in seiner zwanzigjährigen Krankheitsgeschichte erlebt er eine vollständige Remission – und die hält seither an, auch unter modifizierter Medikation. Die Gewichtszunahme ist weiter ein Problem, aber ansonsten geht es ihm gut. Er hat heute eine Anstellung als Alltagsbetreuer in einem psychiatrischen Heim.
Klaus Gauger beschreibt seine Geschichte ungeschönt und leitet aus ihr dezidierte Folgerungen ab: Er fordert einen empathischen, respektvollen Umgang mit Erkrankten und ihren Angehörigen. Eine medikamentöse Therapie der Schizophrenie hält er für unverzichtbar, wenn es auch schwierig sei, das geeignete Präparat zu finden. Aus seiner Erfahrung plädiert er für eine Behandlung auch dann, wenn ein akut verwirrter Patient trotz intensivster Beratung nicht einverstanden ist. Er sieht dies als »rettende Notbremse« und einzige Chance gegen den Wahn und für ein »Zurück zum Leben«.
Als Vater einer ebenso erkrankten Tochter wünsche ich dem Buch viele Leser. Es beschreibt intensiv die Not von an Schizophrenie Erkrankten und ihren Angehörigen, macht dennoch Mut und fordert zur Diskussion auf.
Klaus Jaehn in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 17.04.2024