Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Eine authentische Geschichte für Insider und Außenstehende

Die Geschichte von Jens Jüttner zeigt, dass Drogen ein Auslöser für schwere psychotische Verläufe sein können. In seinem Fall war es nur ein Joint, der ihn in den nachfolgenden zehn Jahren immer wieder psychotische Episoden erleben ließ.

Seine Geschichte zeigt aber auch, wie er trotz allem Beachtliches leisten konnte. Ein selbstreflektiertes und authentisches Buch, auf das ich, ich muss es an dieser Stelle gestehen, schon lange gehofft und gewartet habe.

Im Vorwort von Prof. Dr. J. Cordes wird die Wichtigkeit von mehr Akzeptanz psychischer Erkrankungen – hier der Schizophrenie – sowohl in der Bevölkerung, bei Professionellen sowie bei den Betroffenen selbst betont, um Stigmatisierung und Diskriminierung zu überwinden.

Auch stelle die unzureichende Versorgung von Menschen mit psychotischen Erkrankungen durch psychotherapeutische Behandlungsangebote eine Benachteiligung dar. Cordes sieht in dem offenen Umgang mit der Erkrankung eine Chance, die zu mehr sozialer Unterstützung und Akzeptanz führen kann. Eine Chance, die der Autor Jens Jüttner mit seinem Buch wahrnimmt.

In seiner Lebensgeschichte berichtet er von mehreren Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken, erlebt jedoch immer wieder glückliche Fügungen. Er teilt mit den Lesenden seine persönlichen Erfahrungen zu Beginn der Erkrankung, das Leben während dieser und den oft harten und steinigen Weg, auf dem er dank Durchhaltevermögen und Ausdauertraining aus ihr herausgefunden hat.

Seine Erkrankung beginnt mit immer wieder aufflackernden Wahrnehmungsverschiebungen, zu einer Zeit in der er in einer britischen Großkanzlei als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt war. Hier nahm er zum ersten Mal seine Umwelt ver-ändert wahr, bezog vieles auf sich und vermutete, dass die gesamte Kanzlei ihn kenne und viel über ihn gesprochen würde. Da diese Symptomatik verflog, wenn er von ihm bekannten Menschen umgeben war, bestand seine Bewältigungsstrategie zunächst darin, von selbst auf die Leute in seiner Umgebung zuzugehen, mit ihnen zu sprechen und sich ein bisschen bekannt zu machen. Doch irgendwann hörte er – erst ganz leise – flüsternd ein Gemurmel: »Ich konnte kaum verstehen, was gesagt wurde, und lauschte angestrengt. Zunächst dachte ich, es wären die Nachbarn. Mit der Zeit wurden die einzelnen Stimmen lauter und deutlicher, und es kamen noch andere hinzu.« Jens Jüttner schlittert in eine psychotische Episode mit paranoiden Zügen und vermutet eine Abhöraktion.

In seinem Buch regt er Betroffene an, sich in Behandlung zu begeben, sobald erste spürbare Symptome auftauchen, und hat guten Rat für Angehörige und die Außenwelt. Sein Verhältnis zu Medikamenten ist zunächst zwiegespalten. Er selbst wurde jahrelang hoch dosiert behandelt, ohne Auswirkungen auf seine Negativsymptomatik. So führte die Medikamententherapie dazu, dass er gerade so funktionieren konnte. »Lebensqualität hatte ich jedoch keine, mir ging es konstant schlecht.«

Dennoch haben für ihn Medikamente eine absolute Daseinsberechtigung – jedoch in abgestimmter Dosis. Seine Empfehlung an alle Betroffenen lautet daher, dass sie die Wirksamkeit ihrer Medikation genau beobachten sollten: »Hören Sie in sich hinein, versuchen Sie, genau zu ergründen, was Sie vielleicht an Ihrer Wahrnehmung, Ihren Empfindungen oder Gedankengängen noch stört, und teilen Sie dies Ihrem Arzt mit. Nur das, was Sie Ihrem engagierten Arzt mitteilen, kann dieser auch berücksichtigen. Ein engagierter Arzt wird dankbar sein, wenn Sie ihm möglichst genaues Feedback geben.«

 

Fazit

Auf dem Klappentext dieses Buches ist zu lesen: »Ein Sachbuch für Betroffene, Angehörige, Therapeuten und Interessierte. Ein spannender Erfahrungsbericht, der höchsten Respekt verdient. Eine beeindruckende Lebensgeschichte, die Mut macht: denn paranoide Schizophrenie ist behandelbar! Das Buch klärt auf, wirbt um Verständnis und will anderen Betroffenen und deren Umfeld eine Hilfestellung sein – informativ, emotional, spannend, authentisch geschrieben.«

Dem ist von meiner Seite aus nur hinzuzufügen: Es ist ein Aufklärungsbuch, das in Schulprojekte wie »Verrückt, na und?«, in universitäre Ausbildungen und in die EX-IN-Ausbildung getragen werden sollte, denn paranoide Schizophrenie ist auch heilbar, vor allem, wenn man es schafft, sich von diesem Begriff, der mit Stigma belegt ist, zu distanzieren. In einem Bericht von Theres Lüthi, erschienen am 16.02. 2018 in der Neuen Züricher Zeitung, erfahren wir, dass in Japan der Begriff bereits im Jahre 2002 abgeschafft wurde. Heute spricht man dort von einer »Störung der Einheit des Selbst«.

Daniela Schmid in Psychosoziale Umschau

Letzte Aktualisierung: 17.04.2024