Die österreichische Schriftstellerin Heidi Lehmann berichtet über Moira und ihre Familie. Seit der Trennung ihrer Eltern läuft bei ihr nichts mehr normal. Sie lebt mit ihrer Mutter Melanie und ihrer jüngeren Schwester Lucy abseits der Hamburger City und muss täglich zur Schule pendeln. Auch nimmt sie lange Fahrten in Kauf, um ihre besten Freunde Flo und Nina nicht aus den Augen zu verlieren. Mit der Zeit verändert sich das Verhalten ihrer Mutter extrem. Von anfänglichen Besuchen eines Bibelkreises in der Nachbarschaft, kommt es zu Wahnvorstellen. Moira hat eine Vorahnung, möchte diese aber nicht aussprechen.
Als ihre Mutter eines Abends aus dem Haus marschiert, in einen Fluss steigt und seltsame Bibelpassagen ruft, wird Mutter Melanie in die Psychiatrie eingewiesen. Moira zieht mit ihrer Schwester daraufhin wieder zu ihrem Vater. Für Moira und Lucy beginnt eine Zeit, in der sie viele Fragen haben, auf die sie keine Antwort bekommen. Ihr Vater verschließt sich und möchte Fragen zur Mutter nicht beantworten. Halt geben Moira ihre Freunde. Insbesondere mit Flo kann sie offen über die Psychose ihrer Mutter und über ihre eignen Gefühle sprechen. Als Moiras Mutter entlassen wird und die Kinder wieder zu Mutter Melanie ziehen, beginnt für Moira ein Albtraum. Ihre Mutter muss fortan Medikamente nehmen, die ihre Gefühle stark beeinträchtigen. Der Alltag stellt für alle eine enorme Belastung dar, nicht nur weil Moira sich um ihre kleinen Schwester zusätzlich kümmern muss. Sie nimmt auch Arztbesuche gemeinsam mit Mutter Melanie wahr, um ihre Mutter zu unterstützen und sich über psychische Erkrankungen zu informieren. Aber auch von den Ärzten werden ihr wichtige Frage nicht beantwortet. Erst als sie dem Künstler Balthasar begegnet, findet Morai zu einem neuen Blick auf ihre Mutter und ihr Leben.
»Bitterschönes Schicksal oder als meine Mutter seltsam wurde« ist aufgrund seiner Charakterdarstellung ein nachdenklicher Roman. Er beschreibt sehr eindrucksvoll, wie das Leben von Kindern verändert und beeinflusst wird, wenn ein Elternteil psychische Probleme hat. Sowohl die Folgen der psychischen Erkrankung als auch die Reaktionen der Umgebung zum Umgang mit psychischen Erkrankungen werden angerissen. Vor allem aber werden die typischen Fragen von Jugendlichen aufgegriffen und erläutert wie z.B. »Wie sieht eine Behandlung aus, geht die Psychose wieder vorbei?«. Gleichzeitig wird über das Älterwerden der Hauptfigur, die zunehmende Selbstständigkeit und die damit verbundene Verantwortung gegenüber Geschwistern und den Eltern berichtet. Die Mischung führt dazu, dass die Leserinnen und Leser in die Gedankenwelt einer jungen Frau eintauchen, die in einer wichtigen Lebensphase (16–19 Jahre) mit der Krankheit der Mutter konfrontiert ist.
Zum einen lernt man etwas über die Sichtweise und Fragen von Jugendlichen, man erkennt, dass sie viel ertragen können, aber nicht alles. Zum anderen erhält man einen Einblick über belastete Familien, deren Familiendynamik und wie man mit Veränderungen in Hinblick mit psychischen Erkrankungen umgehen lernen muss und kann. Diese Mischung macht das Buch zu einem lehrreichen Schmöker, es macht Spaß, ihn zu lesen. Das gilt nicht nur für Jugendliche und junge Erwachsene, für die das Buch geschrieben wurde, sondern auch für Profis, die mit Angehörigen psychisch erkrankter Menschen umgehen müssen und dieses auch weise und mitfühlend tun wollen.
Caroline Trautmann in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 17.04.2024