Wenn psychiatrie-erfahrene Menschen über ihre Depression schreiben, stellen sich die Leser auf düstere Episoden ein. Das ist bei Willibert Pauels nicht gänzlich anders.
Viele Jahre hat der studierte Theologe die Kirchenkanzel mit den Bühnen im Kölner Karneval getauscht. Bis sich die Nachricht im Rheinland herumgesprochen hat, dass er in psychiatrischer Behandlung ist. Die jecken Bühnen hat er seit diesem einschneidenden Ereignis hinter sich gelassen.
Nun lässt er in zahllosen Veranstaltungen, aber vor allem in seinem Buch die Menschen an seinen Weg durch verschiedene Jammertäler teilhaben. "Alles, wirklich alles, ist zwecklos. Trinken hilft nicht, beten hilft nicht, Karneval hilft nicht – und Zuspruch hilft natürlich auch nicht. Jeder Trost prallt an dem Bunker ab, in den Dich Deine Depression eingesperrt hat (…) Genauso unsinnig, wie sich von einem Urlaub den Sieg über die Kohorten der schwarzen Gedanken zu versprechen." (S. 47 f.) "Auch die wunderbarste Ehefrau, auch die größte Liebe ist machtlos. Sie kann sie nicht aufhalten, nicht stoppen, schon gar nicht heilen." (S. 49)
Pauels wäre nicht Pauels, wenn er seine Darstellung nicht mit Humor und Heiterkeit und auch mit Optimismus versüßen würde. "Die Heilung von einer Depression funktioniert ähnlich wie ein Witz. In beiden Fällen tritt der gewünschte Effekt dann ein, wenn die andere Perspektive zur Geltung kommt – beim Witz blitzartig im Moment der Pointe, bei der Genesung von einer Depression allmählich im Zuge eines Lernprozesses." (S. 237)
Als "schwarzen bellenden Hund" beschreibt Pauls das depressive Erleben, das sein Leben seit seiner Kindheit bestimmt hat. Er geht auch darauf ein, wie hilfreich für ihn persönlich der Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik gewesen ist. Er nimmt den Menschen viel Verantwortung von den Schultern, als er darauf aufmerksam macht, dass es neurobiologische Ursachen für depressive Symptome gibt. Seine rheinisch-bergische Mentalität kommt in den Schilderungen immer wieder hervor. Es ist eine Gelassenheit, die vieles für den Kabarettisten und Katholiken Pauels erträglich macht.
In seinen Worten schwingt immer die Empathie für diejenigen Menschen mit, die dasselbe Schicksal wie er haben. Es geht Pauels darum, stets authentisch zu bleiben, Mut zu machen. Als ehemaliger katholischer Diakon kommt Pauels dabei auch auf die Religion zu sprechen: "Wir wissen, Religiosität kann vergiften, und zwar immer dann, wenn sie den suchenden Gläubigen in ein Gefängnis führt. Aber die Aufgabe gesunder Religiosität ist, aus dem inneren Gefängnis zu befreien." (S. 248) Danke für das Mutmachen, lieber Willibert Pauels!
Christoph Müller in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 17.04.2024