Wer als Kind Astrid Lindgrens »Pippi Langstrumpf« geliebt hat, wird auch diese Romanheldin ins Herz schließen: Eli Sudfeldt, Protagonistin aus Cornelia Schmitz´ mittlerweile zwei Kriminalromanen »Betreutes Sterben« und »Dir werd ich helfen« ist nämlich gerade so eigensinnig, Gerechtigkeit liebend, herzlich und lebenslustig wie die freche Göre in ihrer Villa Kunterbunt. Mit Neugier, Wagemut und wacher Intuition war Eli im ersten Band als Psychiatriepatientin einem Medikamentenskandal in der Klinik auf die Spur gekommen. Nun treffen wir sie in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung wieder.
Ihre Beziehung mit dem Journalisten Martin Regener ist in die Brüche gegangen, und futsch ist auch die rosarote Brille der Manie. Doch während sie noch gegen die Schwärze der Depression ankämpft und nur schwer verdauen kann, dass sie, die Alleskönnerin, auf einmal nur noch für eine Werkstatttätigkeit taugen soll, erstrahlt bereits ein Licht am Ende ihres Stimmungstunnels. Eine Werkstattbeschäftigte ist unter rätselhaften Umständen gestorben. Und Ermitteln ist für Eli nun mal um vieles sinnstiftender als die Arbeit in einer Großküche.
Bald hat die selbst ernannte Spürnase den Werkstattcasanova im Visier, der sich offenbar jedem gegenüber Frechheiten herausnehmen darf. Und was verbindet ihn mit dem sympathischen Abteilungsleiter? Martin Regener, der für eine Zeitungsreportage in der Einrichtung recherchiert, ist beim Lösen der Rätsel wieder mit von der Partie. Da kommt es zu einem zweiten Todesfall.
Wie Cornelia Schmitz ihre Protagonistin und deren psychisch beeinträchtigte Kollegen in der Parallelwelt Werkstatt agieren lässt, das berührt und macht Spaß. Mit Humor und Selbstironie erfolgreich jeden Anflug von Larmoyanz bekämpfend, ist Eli umso glaubhafter auch in ihrem Ringen um Selbstbewusstsein und Lebenslust. Und die Autorin, selbst psychiatrie- und werkstatterfahren, zeichnet auch von der Werkstatt mitsamt den dort Anleitenden und Beschäftigten ein stimmiges Bild. Anfangs nimmt Eli ihre unmittelbaren Kollegen entsetzt als reduzierte »Wesen« wahr. Aber mit der Zeit gewinnen auch die ganz Verschlossenen Konturen, man ahnt überraschende Kompetenzen. Das ist spannend.
Zwar sei die Werkstatt schon eine Parallelwelt, lässt Cornelia Schmitz uns wissen. Die Akteure darin sind aber aus demselben Holz geschnitzt wie die Noch-Funktionierenden auch. Folgerichtig denn auch Elis Brandrede gegen das eherne Verbot von Liebesbeziehungen zwischen psychiatrieerfahrenen Werkstattbeschäftigten und Mitarbeitern. Dies empfindet die Heldin wie eine Art Apartheid. Ähnlich hätte sich womöglich Pippi Langstrumpf, erwachsen geworden und in die Psychiatrie geraten, empört.
Nun ist die Werkstatt nicht Taka-Tuka-Land, und Cornelia Schmitz` Romanheldin ist facettenreicher als die Kinderbuchfigur. Aber beide, Pippi Langstrumpf wie Eli Sudfeldt, haben das Zeug dazu, das Selbstbewusstsein ihrer Leserschaft zu stärken. Für die Nebenwirkungen muss man nicht in den Keller gehen.
Cornelia Schäfer in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 17.04.2024