Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Neben der Wirklichkeit

2016 schaffte es Thomas Melle mit dem Roman »Die Welt im Rücken«, in dem der Ich-Erzähler an einer bipolaren Erkrankung leidet, auf die Shortlist der Nominierten für den Deutschen Buchpreis. Das Buch war ein großer Erfolg und hat inzwischen mit der grandiosen Inszenierung am Wiener Burgtheater mit dem Schauspieler Joachim Meyerhoff den Weg auf die Theaterbühne gefunden. Vielleicht ist das einer der Gründe für einen gewissen Boom dieses Themas auf dem Buchmarkt.

Neben dem 2018 erschienenen Buch »Rückschau auf eine Psychose« der Journalistin Christiane Wirtz berichten Autorinnen und Autoren in neuen Büchern auf sehr unterschiedliche Weise über ihre Psychoseerfahrungen.

Anna Sperk hat einen literarischen Zugang gefunden. In Julia, die Hauptfigur des Romans »Neben der Wirklichkeit«, ist viel eigenes Erleben der Autorin eingeflossen – über die psychische Erkrankung, den Alltag in der Akutpsychiatrie und die allgegenwärtige Stigmatisierung. In der Geschichte werden die Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen durch den Streit um das Sorgerecht für Julias Kind für die Hauptfigur zu einer existenziellen Bedrohung. Ist sie in der Lage, sich angesichts der Krankheit angemessen um ihre Tochter zu kümmern?

Die Mitarbeiter des Jugendamtes haben große Bedenken, ihr das Kind anzuvertrauen. Doch es gelingt Julia, den begutachtenden Psychiater davon zu überzeugen, dass sie gelernt hat, mit ihrer Krankheit zu leben, und deshalb keine Gefahr für ihre Tochter besteht.

Im zweiten Teil des Buches hat Julia einen Job in der Flüchtlingshilfe gefunden und macht sich mit Leidenschaft an die Arbeit. Ihrer Chefin von der »Wohlfahrt«, einem christlichen Träger, stellt sie unangenehme Fragen, beispielsweise nach einer fairen Bezahlung der Dolmetscher. Kurz vor dem Ende der Probezeit wird der Chefin zugetragen, dass Julia eine von einem Suizidversuch herrührende Narbe hat. Ein willkommener Grund, ihr zu kündigen, mit der Begründung, sie sei den Belastungen emotional nicht gewachsen.

Thomas R. Müller in Soziale Psychiatrie

Letzte Aktualisierung: 17.04.2024