»Schreib Dein Buch!« kann man ab und zu als Werbung für einen Fernlehrgang im Straßenbild sehen. Ich glaube, dass sich dadurch manche Leute verpflichtet fühlen, ihre Gedanken und Erinnerungen an Erlebnisse als Text zwischen zwei Buchdeckeln unterzubringen. Nun haben die meisten Menschen zwar was zu sagen, aber beim Schreiben hapert es oft an der nötigen Fähigkeit und Begabung. Das stört Dienstleistungsverlage nicht im Geringsten. Hauptsache, sie können den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, damit deren verschwurbelten Texte in Buchform erscheinen.
Es war mir schon öfter eine Qual, so etwas zu lesen. Es mag ja jeder im Beuys‘schen Sinne ein Künstler sein, deshalb muss er oder sie aber noch lange nicht lesbar schreiben können. Und so ist es leider auch nur wenigen Sozialarbeitern oder anderen therapeutisch tätigen Menschen gegeben, so schreiben zu können, dass man es auch lesen kann. Monika Staemmler! Kann! Schreiben! Spannend und humorvoll, reflektierend, didaktisch und dazu noch höchst unterhaltsam. In 15 Fall- und Lebensgeschichten berichtet sie von langjährig begleiteten Klienten.
Dabei gelingt ihr die Kunst, den Schilderungen dramatischer Lebenslagen eine Selbstverständlichkeit zu geben, und sie gibt »ihren« Klienten eine Würde zurück, die ihnen mancherorts genommen wurde. Neulich habe ich gehört, dass die Leute in letzter Zeit zwar weniger Bücher kaufen, dafür aber umso häufiger zu Lesungen gehen, um dann miteinander zu sprechen. Es scheint also in unserer ziemlich sortierten Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach Miteinander zu geben. So bin ich auch durch die Ankündigung einer Lesung im Durchblick e.V. in Leipzig auf das Buch aufmerksam geworden. Nun ja, der Titel hatte mich da auch schon sehr neugierig gemacht.
Monika Staemmler las vor, wir sind miteinander ins Gespräch gekommen und haben noch ein bisschen mehr über die Menschen aus dem Buch und darüber hinaus erfahren. Schon bei der Lesung dachte ich immer mal: »... Ist das nicht Frau S.? Aber die war doch nie in Dresden ...« Und so geht es bestimmt der einen oder anderen Leserin und manchem Zuhörer, gerade aus dem psychosozialen Berufsfeld. Es sind die spannenden Begegnungen mit Menschen, die manchmal heftig aus der Reihe tanzen, die sich normativen Anforderungen nicht beugen (können) und die sich ihre andere Sicht der Dinge nicht nehmen lassen. Wie man ihnen Solidarität erweisen, professionellen Beistand leisten und was man dabei für sich selbst erfahren kann – davon erzählt Monika Staemmler in diesem Buch. Und sie zeigt: Soziale bzw. psychiatrische Arbeit kann richtig Spaß machen, Kraft geben und das eigene Leben bereichern.
Ich wünsche mir so sehr eine Fortsetzung, vielleicht kann die Autorin das hinkriegen – ich trau es ihr zu, sie weiß, was Augenhöhe bedeutet: Die Patienten/Klienten schreiben dann mal über Sozialarbeiter und Therapeuten. Sie müssen ja nicht alle bei denen zu Hause auf der Matte stehen; aber die Staemmler‘sche Methodik könnte auch hier greifen. Vorstellbar wäre z.B.: »Welche Herausforderung lag in der Begleitung?« Oder: »Welche Bilder habe ich mitgenommen? Welche Sätze sind geblieben?« Monika Staemmler! Übernehmen Sie!
Rosi Haase in Soziale Psychiatrie
Letzte Aktualisierung: 17.04.2024