Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Umgang mit psychischer Erkrankung

Der Band, herausgegeben vom Bundesverband Angehöriger psychisch Kranker, versammelt Beiträge von Betroffenen und Angehörigen, die ihre Erfahrungen schildern. Profis geben Wissen über Krankheitsbilder und Medikamente weiter. Selbsthilfemöglichkeiten werden vorgestellt.

Im ersten Teil des Buches finden sich Erfahrungen verschiedener Menschen, die jeweils in ihrem Umfeld mit psychischen Erkrankungen konfrontiert sind: Ein Angehöriger und eine Erkrankte stellen ihr Leben mit Depression vor. Die Gedanken, die man sich macht, das Abwägen, was für den anderen wohl gut ist, wie man sich verhalten soll. Wie der andere wohl über einen denkt.

Eine Frau schreibt über ihre depressiv erkrankte Freundin. Wie diese sich unmerklich veränderte, wie aus gelegentlicher Missstimmung permanente Traurigkeit wurde. Wie deren Erschöpfung auf sie selbst übersprang. Sie merkt, dass sie ihrer Freundin nicht mehr helfen kann.

Eine 25-jährige Frau berichtet über das Leben mit ihrer depressiv erkrankten Mutter. Als sie zwölf war, verstand sie nichts. Ab und zu zog sich ihre Mutter zurück. Erst als ihre Mutter in eine Klinik ging, begann sie zu verstehen. Niemand sprach mit ihr darüber, nur die Familie. Heute geht sie selbst zu einem Therapeuten. In einem bewegenden Brief versucht die Mutter ihre Erkrankung verständlich zu machen, mit dem Bild einer schwarzen Wolke.

Ein neunjähriger Sohn spricht von der Traurigkeit seiner Mutter. Er erhält Unterstützung in einer Kindergruppe.

Eine Schwester kümmert sich um ihren psychisch erkrankten Bruder. In einer Angehörigengruppe lernt sie, sich um sich selbst zu kümmern. Seine Klinikaufenthalte führen zur Entfremdung der Schwester von ihm. Ihr Bruder ist vor einigen Jahren gestorben, aber sie bleibt aktiv in der Angehörigenbewegung. Ihre Erkenntnis: »Psychische Erkrankung in Familien betrifft immer alle Familienmitglieder.« (S. 35)

Eine Mutter erlebt seit der ersten psychotischen Episode ihres Sohnes schwierige Situationen. Ihr sagt die Diagnose »Schizophrenie« nicht viel. Es dauert lange, bis sie sich gegenüber Freunden öffnen kann. Sie bekommt Schuldgefühle eingeredet. Es dauert, ehe sie sich davon befreien kann.

Die Erfahrungen von Erkrankten und Angehörigen sind vielstimmig wie vielfältig. Im zweiten Teil geht es um Wissen über und Tipps zu
psychischer Erkrankung. Die Grundzüge psychischer Erkrankung werden erläutert. Außerdem wird deutlich gemacht, dass in jedem Menschen die Möglichkeit zu erkranken steckt. Jede psychische Erkrankung ist zudem heilbar. Manche Menschen sind dünnhäutiger. Bei anderen spielen körperliche Vorerkrankungen eine Rolle. Eine gute Diagnose ist immer veränderlich. Sie ist nicht statisch. Sie passt
sich veränderten Lebenssituationen an. Während einer Behandlung ist eine kontinuierliche Bezugsperson nützlich. Der Autor stellt gängige psychiatrische Diagnosen vor. Als Behandlung setzt er auf Psychotherapie, Medikamente können ergänzen.

Die wichtigsten Medikamente werden aufgeführt. Diese können eine Erkrankung nicht heilen, aber Symptome lindern, indem sie kurzfristig (Krisenintervention) oder langfristig (Prophylaxe) genommen werden können.

Psychotherapien setzen bei der Erkrankung an, psychosoziale Therapien beim Umfeld. Therapien können mit Einzelnen oder in Gruppen stattfinden. Unterstützungsmöglichkeiten in ihrer ganzen Breite werden vorgestellt. Helfen können auch Selbsthilfe, Beratung und Begleitung, Reha (beruflich oder medizinisch) und Teilhabe sowie Behandlung und Pflege. Ein erster Schritt kann die Selbsthilfegruppe sein, für Angehörige, für Betroffene oder für alle zusammen im Trialogseminar. Das Sprechen über das Erleben hilft. Eine weitere Anlaufstelle sind die Beratungsstellen. Gesundheitsämter und Sozialpsychiatrische Dienste bieten Hilfe an. Außerdem kann soziale Teilhabe weiterhelfen.

Wie sollten Erfahrene und Angehörige miteinander umgehen? Wichtig ist, gelegentlich auch die Perspektive des anderen einzunehmen. Wertschätzung, den anderen nicht unterbrechen, keine Verallgemeinerungen. Ziel sollte eine Lösung für beide Seiten sein. Wichtig ist die Selbstfürsorge der Angehörigen: »Nur, wenn es uns selber gut geht, können wir anderen wirklich gut helfen.« (S. 146)

Alle Beiträge werden durch Literaturhinweise ergänzt. Dieses Buch eignet sich für beide Seiten, für Erkrankte wie auch für Angehörige. Beide erhalten bisweilen nahegehende Erfahrungen und praktisches Wissen: Wer hilft mir? Wie erfolgt die Hilfe? Wer hilft wann?

Jürgen Blume in Soziale Psychiatrie

Letzte Aktualisierung: 26.04.2024