Wann ist ein Thema in der Fachöffentlichkeit angekommen? Ein Indiz dafür wäre wohl, wenn sich Mythen um die Historie zu ranken beginnen. Insofern kann man der falschen Angabe zum Jahr und zum Veranstalter der ersten bundesweiten Tagung zur Situation von Kindern psychisch kranker Eltern durchaus positive Aspekte abgewinnen.
Dies gilt umso mehr, da der Autor hier in knapper und verständlicher Form alles das zusammenträgt, was man derzeit wissen kann und muss, wenn es um konkrete Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern und ihre Familien geht. Und man ist schon ein wenig erstaunt, wenn man dabei sieht, was doch in relativ kurzer Zeit an "Basiswissen" weiterzugeben ist. Das betrifft sowohl die Darstellung der evidenten wissenschaftlichen Befunde für die Belastungen und Entwicklungsrisiken der betroffenen Kinder, aber auch die Belastungen der Patienten in ihrer Elternrolle.
Davon ausgehend nehmen dann die praktischen Tipps für sinnvolle Hilfe- und Unterstützungsangebote breiten Raum ein. Das hat "Hand und Fuß" und gibt Denkanstöße wie auch praktikable – und erprobte – Umsetzungshilfen für die verschiedenen heterogenen Zielgruppen und Problemlagen.
Dabei wird immer vom System Familie und Umwelt und von den Ressourcen her gedacht und gearbeitet. Verschiedene Programme, Methoden und spezifische Angebote für einzelne Gruppen oder die ganze Familie werden kurz und prägnant vorgestellt und durch Beispiele plastisch. Einen besonderen Schwerpunkt legt Albert Lenz, der selbst in den letzten Jahren viele Publikationen zur Thematik veröffentlicht hat, auf die Notwendigkeit von gelingenden Kooperationsbeziehungen zwischen den Hilfesystemen und den Helfern und formuliert Anforderungen an die beteiligten Institutionen sowie deren Mitarbeiter.
Hier sieht er – und dem kann die Rezensentin nur zustimmen – ein entscheidendes Kriterium für das Gelingen bzw. Scheitern von Bemühungen, den Familien eine passende, ausreichende und flexible Unterstützung zukommen zu lassen. Zustimmung gibt es auch für den eher nüchternen Blick auf die aktuelle Versorgungslage: Von einer flächendeckenden Versorgung der Kinder mit psychisch kranken Eltern sind wir nach wie vor weit entfernt.
Auch deshalb ist dem Buch aus der Reihe Basiswissen eine weite Verbreitung zu wünschen, um damit einen Beitrag zur Verbesserung und Weiterentwicklung bestehender Angebote und einer Verringerung noch bestehender weißer Flecken, wo es keine Unterstützung gibt, zu befördern. Beate
Lisofsky in Psychosoziale Umschau
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024