Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
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Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung

Meist schlägt die Diagnose einer Borderlinestörung ein wie eine Bombe. Betroffene und Angehörige fühlen sich häufig damit überfordert und nicht selten führt die Diagnose dazu, dass die Menschen Stigmatisierung und Selbststigmatisierung erleben. Hilflosigkeit greift sich Raum.

Dabei wäre es erforderlich, dass der Moment, wenn Menschen eine Diagnose erfahren, von einem Innehalten begleitet wird. Mit dem »Ratgeber Borderline-Persönlichkeitsstörung« bekommen Angehörige von Betroffenen eine Hilfe an die Hand, die viel negative Dynamik aus der Situation nimmt. Die Psychotherapeutin Anne Kristin von Auer und der Psychiater Michel Kaess ermöglichen niedrige Schwellen zu notwendiger Unterstützung.

Es sind knapp über sechzig gut lesbare Seiten, auf denen Kaess und von Auer einen verständlichen Überblick über die Borderline-Persönlichkeitsstörung geben. Lesende bekommen Antworten auf die Fragen nach den Symptomen und der Diagnose selbst. Das Autorenteam erläutert die Entstehung einer Borderline-Persönlichkeitsstörung anhand des biosozialen und des transaktionalen Modells.

Von Auer und Kaess betonen, dass es häufig auch eine Entlastung sein kann, eine konkrete Diagnose zu erfahren »und damit eine Erklärung für bestimmte Phänomene und Probleme zu haben« (S. 15). Die Diagnose helfe auch, »eine passende und auf die besondere Symptomatik ausgerichtete Behandlung zu finden« (S. 15). Da er-scheint es entscheidend, dass der Begriff der Validierung vorgestellt wird. Angehörige können sich so an eine Haltung heranarbeiten, die die Gefühle des Gegenübers nachvollziehbar macht. Sie führen die Angehörigen sorgsam dahin, dass sie die Verunsicherung der Menschen im Blick haben, die von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen sind.

Einen breiten Raum nehmen die Family-Skills nach Fruzzetti ein. Der Familientherapeut Alan Fruzzetti hat in Anlehnung an die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) nach Marsha Linehan ein Fertigkeitentraining für Eltern entwickelt. Eltern, die mit einer hohen Verletzlichkeit von Kindern konfrontiert seien, müssten die eigenen Gefühle besser als andere regulieren können.

Aufhorchen lässt der Begriff der Beziehungsachtsamkeit, den Kaess und von Auer mit auf den Weg geben. Dabei geht es unter anderem darum, im Hier und Jetzt zu sein, möglichst ohne zu bewerten. Beziehungsachtsamkeit bedeute auch, »mir der Situation meines Kindes bewusst zu sein und dementsprechend zu handeln« (S. 42).

Für Angehörige von Menschen, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung erleben, ist der »Ratgeber Borderline-Persönlichkeitsstörung« eine große Hilfe. Das Autorenteam zeigt ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen gegenüber Betroffenen und Angehörigen, richten den Blick stets auf Lösungen und nach vorne. Das Buch kann ein Anstoß sein, die Family-Skills nach Fruzzetti für Angehörige und auch psychiatrisch Tätige umfangreicher auf -zubereiten.

Christoph Müller in Psychosoziale Umschau

Letzte Aktualisierung: 26.04.2024