In diesem Buch gelingt es den Autoren, die aktuellen Erkenntnisse zur Reduktion von Neuroleptika und zur Genesung von Psychosen zu bündeln und mithilfe zahlreicher Berichte anschaulich darzustellen. Jann E. Schlimme ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit einer eigenen Praxis in Berlin und als Dozent u.a. an der Medizinischen Hochschule Hannover tätig. Thelke Scholz ist Expertin durch Erfahrung, Empowerment-College-Trainerin und Dozentin im sozialpsychiatrischen Bereich. Renate Seroka ist Angehörige und Sprecherin des Fachausschusses Psychopharmaka in der DGSP.
Zu Beginn des Buches wird über Psychosen und das Gelingen von Genesung berichtet. Anschließend widmen sich die Autoren ausführlich dem Thema Neuroleptika und der Frage, warum sich eine Reduktion lohnt. Doch auch die mit einer Reduktion möglicherweise einhergehenden Schwierigkeiten werden geschildert. Im nachfolgenden Teil geht es um die Reduktionsgeschwindigkeit, unterstützende soziale Netzwerke, Alternativen, Abschalttechniken und darum, wie wichtig eine allgemein gesunde Lebensführung ist (z.B. die richtige Ernährung und ausreichend Schlaf). Dass auch die Klinik eine wichtige Rolle bei der Reduktion und Genesung spielt, wird in einem eigenen Exkurs deutlich. Neben den Neuroleptika wird auch dem Absetzen von Antidepressiva und Stimmungsstabilisierern ein Kapitel gewidmet.
Für die Praxis besonders wichtig sind zudem die Ausführungen zur Reduktion von Psychopharmaka-Kombinationen, da diese immer noch häufig verordnet werden. Dass das Ziel einer Reduktion nicht das komplette Absetzen der Medikamente sein muss, berichten die Autoren unter dem Kapitel »Der letzte Krümel«. Das Buch endet schließlich mit verschiedenen Appellen: zum einen an die Sozialprofis, gesetzte Ziele zu hinterfragen und dem Betroffenen Zeit zu lassen. Zum anderen an die Gesellschaft, die durch das Zulassen von Irritationen Räume für eine Genesung schaffen kann.
Immer wieder stellen die Autoren die wichtigsten Faktoren für eine Genesung und eine gelingende Medikamentenreduktion heraus: Peers einbeziehen, soziales Miteinander dosieren (Stichwort »bedeutungsreduzierter Sozialraum«), Geduld aller Beteiligten. Sie betonen, dass nicht die Reduktion selbst das Ziel der Reduktion und Genesung sein sollte, sondern eine authentische Lebensweise. Ebenfalls wollen sie dabei helfen, eine gemeinsame Sprache zur Verständigung von Betroffenen, Angehörigen und Sozialprofis zu entwickeln.
Schon durch das Autorenteam zeigt sich der trialogische Charakter des Buches, der durch Gastbeiträge zu unterschiedlichsten Themen wie z.B. erfahrungsfokussierte Beratung, Klangschalen oder Klinikalltag verstärkt wird. Wer »Die abklingende Psychose« von Jann E. Schlimme bereits gelesen hat, wird manche Betroffenen-Berichte wiedererkennen. Gerade durch diese Schilderungen erhält das Buch seine Lebendigkeit: Wenn Thelke Scholz beschreibt, wie entspannend der Geruch von Lavendel im Badewasser und im Tee wirkt, stellt sich auch beim Lesen Entspannung ein.
Das Buch ist zwar an manchen Stellen stark medizinisch, aber als »Reduktions-Lexikon« hervorragend geeignet. Es enthält viele Ideen und Denkanstöße für den individuellen Genesungsweg und betrachtet das Reduzieren aus vielen Perspektiven. Selbst derjenige, der sich schon intensiv mit der Thematik beschäftigt hat, findet hier noch Neues. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der/die die eigene Genesung angehen oder Genesung begleiten möchte.
Annika Horn in Soziale Psychiatrie
Letzte Aktualisierung: 26.04.2024