Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Demenz

Etwa 1,2 Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer Demenz. Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, erhöht sich mit zunehmendem Lebensalter, das Alter stellt also den wichtigsten Risikofaktor dar.

Erkrankungsrisiko

Die Prävalenzrate beträgt bei den 85- bis 89-Jährigen 26,4 %, bei den über 90-Jährigen bereits 41,1 %. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung nimmt die Zahl der Demenzkranken zu. Frauen sind häufiger als Männer betroffen, weil Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer. Frauen pflegen demgegenüber viel häufiger demenzkranke Angehörige als Männer.

Nach vielen Prognosen wird sich bis 2040 die Zahl der Erkrankten in Deutschland verdoppeln, es sei denn, es erfolgt ein therapeutischer Durchbruch. Demenzen stellen mittlerweile den Hauptgrund für eine Einweisung in ein Pflegeheim in Deutschland dar.

Formen der Demenz

Bei 60 bis 70 % aller Demenzkranken liegt eine Alzheimererkrankung vor, deren Ursache noch nicht genau bekannt ist. Am zweithäufigsten ist die vaskuläre Demenz, die durch Störungen der Blutzirkulation im Gehirn entsteht. Als dritte Ursache ist die Alkoholabhängigkeit zu nennen. Seltener sind die Lewy-Körper-Demenz, die Demenz bei Parkinsonkrankheit undweitere besondere Formen.

Diagnose

Bei entsprechendem Verdacht werden eine psychiatrische Untersuchung, verschiedene neurologische Testverfahren wie z. B. die Mini MentalState Examination (MMSE) und weitere Untersuchungen durchgeführt. Da es keinen Test gibt, der sicher eine Alzheimer-Demenz nachweisen kann, kann die Diagnose einer Alzheimer-Demenz nur im Ausschlussverfahren gestellt werden: Wenn sich keine Hinweise auf eine andere Demenzursache finden lassen, wird die Alzheimer-Demenz diagnostiziert.

Medikamente

Medikamente, sogenannte Antidementiva, haben die mit ihrer Entwicklung verbundenen Hoffnungen bislang nicht erfüllen können und sind am ehesten in der Anfangsphase hilfreich, indem sie den Krankheitsverlauf verzögern helfen. Dies betrifft vor allem die vaskuläre Demenz. Psychopharmaka (etwa Antidepressiva, Neuroleptika wie Pipamperon, Benzodiazepine wie Diazepam) werden häufig eingesetzt, um Stimmung und Verhalten positiv zu beeinflussen oder den Tag-Nacht-Rhythmus wieder zu normalisieren.

Allerdings ist die sorgfältige Abwägung von erwünschten und unerwünschten Arzneiwirkungen unbedingt erforderlich. Nicht zu verantworten ist die hochdosierte Medikation zur Sedierung unruhiger Demenzkranker.

Therapie und Pflege

Bewährt haben sich verschiedene therapeutische Ansätze und Pflegekonzepte, z. B. die Validation nach Naomi Feil, das psychobiografische Modell nach Erwin Böhm oder der personenzentrierte Ansatz nach Tom Marris Kitwood.

Verlauf

Die Verläufe der Erkrankung sind individuell sehr verschieden. Bei der Alzheimerkrankheit werden früh (vor dem 65. Lebensjahr) und spät (nach dem 65. Lebensjahr) beginnende Demenzen von atypischen Verläufen unterschieden.

Zu Beginn der Erkrankung werden die Veränderungen von Betroffenen und Angehörigen kaum bemerkt oder die Auffälligkeiten werden bagatellisiert. Das Gedächtnis ist früh beeinträchtigt, wobei das Langzeitgedächtnis länger erhalten bleibt als das Kurzzeitgedächtnis. Dinge werden verlegt, Termine vergessen, Namen fallen nicht ein und die Orientierung wird unschärfer. Die Betroffenen »konfabulieren«, d. h., sie füllen ihre Gedächtnislücken mit mehr oder weniger sinnvollen Floskeln oder Geschichten (»Fabeln«). Die prozedurale Erinnerung bleibt längererhalten als die deklarative Erinnerung, gewohnte Handlungen können also noch lange ausgeführt werden, während Ereignisse und Wissen nicht mehr erinnert werden.

Mit Notizen, Gedächtnishilfen durch Angehörige und anderem mehr können Betroffene zunächst ihre Defizite kompensieren. Allmählich wird jedoch mehr Unterstützung erforderlich. Häufig unterschätzt werden die auftretenden Sprachstörungen, u. a. Wortfindungsstörungen, Verminderung des Sprachverständnisses und der Sprachproduktion: Die Betroffenen sprechen weniger, werden weniger verstanden und verstehen andere Menschen weniger. Die Merkfähigkeit wird immer schlechter und die Orientierung zu Zeit, Ort, Situation und Person verschlechtert sich meist in dieser Reihenfolge.

So kann es zu Fehlhandlungen, Verkennungen, Weglaufen und Verirren kommen. Die Betroffenen leiden besonders in der Phase, in der sie sich des zunehmenden Verlusts ihrer Fähigkeiten bewusst sind. Nicht selten entwickelt sich dann eine Depression,die bei bis zu 50 % der Betroffenen gefunden wird. Gefühle der Scham, Wut und Depression können zu Verhaltensänderungen führen, die auch für Angehörige nur schwer zu ertragen sind. Die Schuld, z. B. wenn Dinge verlegt wurden, wird oft anderen zugeschrieben, es kommt nicht selten zu paranoiden Ideen.

Dramatisch für die Angehörigen ist stets, wenn sie nicht mehr erkannt werden und sich schließlich die Betroffenen auch selbst nicht mehr erkennen und etwa mit ihrem Spiegelbild sprechen, weil sie hier einen anderen Menschen sehen. In fortgeschrittenem Stadium sind – eher selten – Sicherungsmaßnahmen (Bettgitter, Verschließen der Tür) erforderlich. Allmählich kommt es zu einem weiteren, neurologisch bedingten Verlust von Fähigkeiten wie Gehen, Aufstehen, Sitzen, Schlucken und schließlich zur umfassenden Pflegebedürftigkeit. Der Tod wird meist durch die allgemeine Entkräftung, nicht zu beherrschende Infekte oder durch Sturzfolgen verursacht.

Versorgung

Ambulante Hilfe zur Pflege, Tages- und Kurzzeitpflege, Demenz-Wohngemeinschaften, Betreutes Wohnen und Pflegeheime werden über die Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) teilweise oder ganz finanziert. Kosten für niedrigschwellige Betreuungsleistungen, z. B. Gruppenangebote, werden gemäß § 45 b SGB XI übernommen.

Eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) und eine Zuordnung zu einem der Pflegegrade sind für alle Leistungen nach SGB XI Voraussetzung. Wenn bei fehlendem Vermögen die Leistungen der Pflegeversicherungnicht ausreichen oder trotz Hilfebedarf kein Pflegegrad anerkannt wird, können Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII (Sozialhilfe) gewährt werden.

Literatur

Internet

Letzte Aktualisierung: 30.04.2024