Wie der Name schon sagt, wirken Substanzen dieser Gruppe gegen depressive Zustände aller Art, unabhängig von ihrer Entstehung und diagnostischen Einordnung. Dabei normalisiert sich nicht nur die bedrückte, ängstliche oder verzweifelte Stimmung, sondern auch die meist vorhandenen Begleiterscheinungen: gehemmter oder gesteigerter Eigenantrieb, Grübeln, Appetitlosigkeit usw. Allerdings tritt diese depressionslösende Wirkung meist noch nicht in den ersten Tagen ein, sondern mit einer Verzögerung von zwei bis drei Wochen, manchmal auch noch später. Deswegen ist zur Linderung der Beschwerden oft noch die vorübergehende Einnahme weiterer Psychopharmaka erforderlich, beispielsweise eines Beruhigungs- oder Schlafmittels.
Bei der Auswahl der Substanz spielt ihre Wirkung auf den Eigenantrieb eine Rolle: Ein Teil der Antidepressiva wirkt eher beruhigend und dämpfend (sedierend), kann müde machen und das Ein- und Durchschlafen erleichtern. Die andere Gruppe hat eine eher anregende Wirkung und kann so helfen, sich zu Aktivitäten aufzuraffen. Beide Wirkungsweisen können depressiven Menschen sehr willkommen sein, je nachdem was sie in ihrem Erleben am meisten belastet. Diese Antriebsveränderungen treten übrigens bereits in den ersten Tagen der Einnahme auf.
Erfahrungsgemäß hat die Mehrheit der Menschen vor allem mit mittelschweren oder schweren Depressionen einen Nutzenvon der Einnahme eines Antidepressivums, der zum Teil durch die Wirkung der Substanz selbst, zum Teil auch durch den sogenannten Placebo-Effekt zu erklären ist. Wenn spätestens einige Wochen nach dem Beginn der Einnahme eine deutliche Besserung eintritt, empfehlen die Ärzte in der Regel eine Fortsetzung dieser Medikation, bis die Depression im Erleben der Betroffenen vollständig überstanden ist. Ein zu frühzeitiges Absetzen kann zu einem Rückfall führen.
Allerdings wirkt nicht jedes Antidepressivum bei jeder Depression. Wer auch nach mehreren Wochen der Einnahme keine nennenswerte Linderung verspürt, sollte mit seiner behandelnden Ärztin über Veränderungen der Verordnung sprechen. Es gibt dann mehrere Möglichkeiten, die hier aus Platzgründen nicht im Einzelnen aufgezählt werden können.
Insgesamt können die meisten akuten und länger dauernden Depressionen mit medikamentöser Hilfe – eventuell mit Kombinationen mehrerer Medikamente – zumindest erheblich gelindert werden. Man sollte sich aber nicht alleine auf die Medikamentenbehandlung verlassen, eine geduldig-unterstützende Begleitung, psychotherapeutische Hilfen und eventuell weitere Maßnahmen sind ebenso wichtig!
Wenn sich ein Antidepressivum als eindeutig wirksam herausgestellt hat, kann es zur Vorbeugung weiterhin eingenommen werden, je nach dem bisherigen Verlauf eventuell auch über mehrere Jahre. Das gilt allerdings nur, wenn bisher keine manischen oder psychotischen Krisen aufgetreten sind.
Antidepressiva können auch bei generalisierten Angststörungen und Panikattacken, bei Zwangsstörungen und Essstörungen (vor allem der Bulimie) eingesetzt werden. Ähnlich wiebei der Lösung depressiver Störungen tritt ihre Wirkung auch hier meist mit einer Verzögerung von einigen Wochen ein. Sie werden darum nicht – wie die Benzodiazepine – als unmittelbare Angstlöser erlebt, sondern können nach einiger Zeit der Einnahme den Angstpegel nachhaltig senken. Darauf beruht wohl auch ihre unterstützende Wirkung bei Zwangsgedanken und Zwangsverhalten. Schließlich werden einige Antidepressiva auch als Zusatzstoffe im Rahmen kombinierter Schmerzbehandlungen eingesetzt, in diesem Fall also nicht zur Behandlung psychischer Störungen.
Substanzen mit sedierender Wirkung können bei abendlicher Einnahme als Unterstützung beim Einschlafen und Durchschlafen eingesetzt werden. Dabei kann man sich zunutze machen, dass auch nach längerer Einnahmedauer keine Suchtgefahr besteht. Antidepressiva sind aber keine Schlafmittel im strengen Sinne.
Antidepressiva können manische oder psychotische Zustände auslösen, ihr Auftreten begünstigen oder die Symptome verstärken. Dieses Risiko sollten insbesondere Menschen berücksichtigen, die ähnliche Zustände schon früher erlebt haben, sodass von einem erhöhten Risiko für ein Wiederauftreten auszugehen ist. In diesen Fällen kann man auf einige atypische Neuroleptika ausweichen, denen eine gewisse antidepressive Wirkung zugeschrieben wird, oder zusätzliche Medikamente einsetzen, z. B.Phasenprophylaktika.
Außerdem sind etliche weitere Nebenwirkungen bekannt, die Sie in den Beipackzetteln oder in einschlägiger Fachliteratur nachlesen können. Die antriebsverändernden Wirkungen können natürlich im Einzelfall auch zu unerwünschten Auswirkungen führen, etwa wenn man wegen der stimulierenden Wirkung abends nicht zur Ruhe kommt – deswegen werden dieses Substanzen meist morgens und mittags eingenommen – oder wenn ein dämpfendes Mittel trotz rechtzeitiger abendlicher Einnahme noch in den nächsten Tag hinein müde macht. Dann genügt meist eine Änderung der Einnahme, also der Dosierung oder der Einnahmezeitpunkte.
Zu den Risiken vor allem schwerer Depressionen gehört die Gefahr suizidaler Handlungen. Diese kann durch stimulierende Medikamente vorübergehend sogar vergrößert werden, wenn der Antrieb stärker wird, das depressive Erleben aber in den ersten Wochen der Einnahme noch unverändert besteht. Hier ist also besondere Aufmerksamkeit geboten!
Zu Ihrer Orientierung werden nachfolgend die gebräuchlichen antidepressiv wirksamen Medikamente aufgelistet. Der jeweils erste Begriff ist der Name der Wirksubstanz, in Klammern steht danach der erste gebräuchliche Markenname. Die Aufzählung ist alphabetisch geordnet, eine Wertung ist mit der Reihenfolge nicht verbunden.
Agomelatin (Thymanax®/Valdoxan®), Bupropion (Elontril®), Citalopram (Cipramil®), Clomipramin (Anafranil®), Desipramin (Pertofran®), Duloxetin (Cymbalta®), Escitalopram (Cipralex®), Fluoxetin (Fluctin®), Fluvoxamin (Fevarin®), Imipramin (Tofranil®), Moclobemid (Aurorix®), Nortriptylin (Nortrilen®), Paroxetin (Seroxat®/Tagonis®), Reboxetin (Edronax®/Solvex®), Sertralin (Gladem®/Zoloft®), Venlafaxin (Trevilor®), Vortioxetin (Brintellix®)
Amitriptylin (Saroten®), Amitriptylinoxid (Equilibrin®), Dosulepin (Idom®), Doxepin (Aponal®), Maprotilin (Ludiomil®), Mianserin (Tolvin®), Mirtazapin (Remergil®), Trazodon (Thombran®), Trimipramin (Stangyl®) In diese Gruppe gehört außerdem noch Johanniskraut, das in hoher Dosierung nachgewiesenermaßen antidepressiv wirksam ist, allerdings bei schweren Depressionen nicht ausreicht.
Letzte Aktualisierung: 02.08.2024