Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
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Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Beruhigungs- und Schlafmittel

Beruhigende Substanzen (Tranquilizer) und Medikamente zur Unterstützung oder Herbeiführung von Schlaf (Hypnotika) sind in der psychiatrischen Behandlung schon seit dem 19. Jahrhundert üblich. Da die meisten akuten psychischen Krisenzustände mit Unruhe, Angst und Schlafstörungen einhergehen, ist dieses Wirkprinzip auch heute noch unentbehrlich, insbesondere als erste, entlastende Hilfe bei hochakuten Angst- und Spannungszuständen.

Gefahr von Abhängigkeit und Sucht

Bei längerem Gebrauch treten zwar vergleichsweise wenig Nebenwirkungen auf, aber Tranquilizer und Hypnotika bringen als einzige Psychopharmakagruppe die Gefahr von Abhängigkeit und Sucht mit sich. Wenn möglich, sollten sie darum nur für eine begrenzte Zeit eingenommen werden, zum Beispiel einige Tage oder einige Wochen. In solchen kurzen Zeitspannen ist das Risiko einer Abhängigkeit im Allgemeinen gering. Ausgenommen von dieser Empfehlung sind lediglich Buspiron (Bespar®), Opipramol (Insidon®) und Pregabalin (Lyrica®), die am Ende dieses Abschnittsbesprochen werden.

Benzodiazepine

Die wichtigsten und am häufigsten verwendeten Beruhigungs- und Schlafmittel sind die Benzodiazepine. Das Wort bezeichnet eine chemische Grundstruktur, die allen Vertretern dieser Gruppe gemeinsam ist. Sie haben identische Wirkungen und Nebenwirkungen und unterscheiden sich lediglich darin, wie schnell die Wirkung eintritt und wie lange sie anhält.

Erwünschte Wirkungen

Benzodiazepine lösen Ängste und Anspannungen, diese Wirkung wird meist als ausgesprochen angenehm erlebt. Außerdem wirken sie dämpfend (sedierend), machen in höheren Dosierungen müde und fördern das Ein- und Durchschlafen. Dabei sind sie – abhängig von der Dosis – stärker schlaffördernd wirksam als andere sedierende Substanzen (z. B. dämpfende Antidepressiva oder Neuroleptika).

Unerwünschte Wirkungen

Benzodiazepine sind bezüglich unerwünschter Wirkungen recht "gutmütige" Medikamente. Wie alle sedierenden Substanzen verlangsamen sie die Reaktionsgeschwindigkeit. Tätigkeiten, in denen es auf schnelles Reagieren ankommt, können dadurch riskant werden, etwa die Teilnahme am Straßenverkehr oder die Bedienung komplizierter Maschinen am Arbeitsplatz.

Die wichtigste Nebenwirkung ist die Gefahr der psychischen Abhängigkeit – also des Erlebens, ohne die weitere Einnahmedes Medikaments gar nicht mehr zurechtzukommen – und bei einem Teil der Betroffenen darüber hinaus auch der körperlichen Abhängigkeit, erkennbar an der Tendenz zur Dosissteigerung (muss nicht in jedem Fall gegeben sein) und an Entzugserscheinungen beim Absetzen. Hinsichtlich des Abhängigkeitsrisikos und der Entzugserscheinungen ähneln die Benzodiazepine dem Alkohol, übrigens ja auch bezüglich der erhofften Wirkung: Auch Alkohol löst Ängste und entspannt und macht bei größerer Trinkmenge müde bis hin zur Bewusstlosigkeit.

Wegen dieser Risiken sind Benzodiazepine zur Langzeiteinnahme über viele Monate oder gar Jahre nicht geeignet. Falls es doch dazu gekommen ist, sollte die behandelnde Fachärztin um Rat gefragt werden, ob ein allmähliches Absetzen möglich ist, erforderlichenfalls flankiert durch eine fachkundige Suchtberatung.

Benzodiazepine im Einzelnen

In der nachfolgenden Liste sind die Benzodiazepine nach der durchschnittlichen Dauer ihrer Wirkung gruppiert. Dabei handelt es sich aber nur um Näherungswerte, die Wirkdauer ist dosisabhängig und individuell verschieden. Beachten Sie, dass die meisten gängigen Schlafmittel in der dritten Gruppe zu finden sind! Alle Substanzen dieser Gruppe wirken in den üblichen Dosierungen viel zu lange, um als Schlafmittel tauglich zu sein – Restwirkungen reichen bis weit in den nächstenTag hinein. Autofahren oder die Bedienung von Maschinen kann dadurch mit Unfallrisiken behaftet sein.

Substanzen, deren Wirkung besonders rasch eintritt, sind in der Auflistung kursiv gesetzt. Sie eignen sich besonders zur Behandlung akuter Angstzustände, sind allerdings wegen der schnellen und angenehm erlebten Wirkung besonders anfälligfür die Entwicklung einer Abhängigkeit.

Benzodiazepine mit kurzer Wirkdauer (unter 6 Stunden)

Midazolam (Dormicum®), Triazolam (Halcion®)

Benzodiazepine mit mittlerer Wirkdauer (ca. 6 bis 24 Stunden)

Alprazolam (Tafil®), Flunitrazepam (Rohypnol®), Lorazepam (Tavor®), Oxazepam (Adumbran®), Temazepam (Remestan®/Planum®)

Benzodiazepine mit langer Wirkdauer (über 24 Stunden)

Bromazepam (Lexotanil®), Chlordiazepoxid (Librium®), Clobazam (Frisium®), Clonazepam (Rivotril®), Diazepam (Valium®), Dikaliumclorazepat (Tranxilium®), Flurazepam (Dalmadorm®/StaurodormNeu®), Nitrazepam (Mogadan®), Nordazepam (Tranxilium N®), Prazepam (Demetrin)

Weitere Schlafmittel

Neben einer Reihe frei verkäuflicher Schlafmittel, die als Teezubereitungen, Tabletten, Badezusätze usw. verwendet werden können, gibt es noch einige verordnungspflichtige Substanzen mit entsprechend stärkerer Wirkung. Dabei handelt es sich vorallem um die "Z-Gruppe": Zaleplon (Sonata®), Zolpidem (Stilnox®) und Zopiclon (Ximovan®). Sie sind zwar chemisch mit den Benzodiazepinen nicht verwandt, bezüglich ihrer Wirkungen und Nebenwirkungen aber ähnlich zu beurteilen. Sie sind darum eine Alternative als Schlafmittel; als Beruhigungsmittel werden sie nicht eingesetzt.

Weitere Beruhigungsmittel

Die Substanzen Buspiron (Bespar®), Opipramol (Insidon®) und Pregabalin (Lyrica®) verhalten sich in der Behandlung von Angststörungen ähnlich wie Antidepressiva (siehe oben), sie senkenn ach einigen Tagen oder Wochen den Angst- und Spannungspegel. Während Buspiron in dem Ruf steht, süchtiges Verlangen z. B.nach Alkohol zu vermindern, könnte die längere Einnahme von Pregabalin mit dem Risiko einer Abhängigkeit verbunden sein.

Literatur

  • Bleich, S., Dabbert D., Kropp, S., Neyazi A., Seifert J., Toto S., Bandelow B. (2022): Handbuch Psychopharmaka. Hogrefe Verlag, 4. Auflage.
  • Benkert, O.; Hippius, H. (2023): Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie. Springer Verlag, 14. Auflage.
  • Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (2018): Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie zur Anwendung von Neuroleptika. Broschüre als PDF-Datei herunterladen.
  • Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (2018): Neuroleptika reduzieren und absetzen. Eine Broschüre für Psychose-Erfahrene, Angehörige und Professionelle aller Berufsgruppen. 3. Auflage. Broschüre als PDF-Datei herunterladen.
  • Finzen, A.; Scherk, H.; Weinmann, S. (2016): Medikamentenbehandlung bei psychischen. Störungen - Leitlinien für den psychiatrischen Alltag. Psychiatrie Verlag.
  • Dr. phil. h.c. Lehmann P., (Hg.), Newnes C. (Hg.) (2023): Psychopharmaka reduzieren und absetzen – Praxiskonzepte für Fachkräfte, Betroffene, Angehörige, Psychiatrie Verlag
  • Schirmer U.: (2020): Psychopharmakotherapie und Empowerment – Ein Trainingsprogramm zum selbstständigen Medikamentenmanagement, Psychiatrie Verlag

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Letzte Aktualisierung: 02.08.2024