Als Neuroleptika werden alle antipsychotisch wirksamen Substanzen bezeichnet, also Medikamente, die gegen Erregungszustände, Wahnideen, Halluzinationen, Denkzerfahrenheit und weitere (z. B. katatone) Störungen des Erlebens oder Verhaltenseingesetzt werden.
Die stark wirkenden, sogenannten "hochpotenten" Neuroleptika verringern die Intensität der Wahrnehmung. Davon sind Sinneswahrnehmungen ebenso betroffen wie die Wahrnehmung des eigenen Körpers, der eigenen Gedanken und Gefühle. Wenn die Wirkung ausgeprägt ist, fühlt man sich benommen, abgeschottet von der Welt und von sich selbst, als wäre man "garnicht richtig da".
Diese neuroleptische Wirkung ist in vielen Fällen nützlich, weil sie den Zustand akuter Überlastung und Überforderung durchbricht, der besonders mit akuten Psychosen verbunden ist. Unter dem Einfluss des Medikamentes wird es dann leichter, psychotisches Erleben auf seinen Realitätsgehalt zu prüfen, und man kann allmählich in die allgemeine Wirklichkeit zurückfinden.
Allerdings wird die abschirmende Wirkung meist nicht als angenehm empfunden, sondern lediglich als nützlich – eben besser als die Psychose. Das hat immerhin den Vorteil, dass mit Neuroleptika – ebenso wie mit Antidepressiva – keine Gefahr von Sucht oder Abhängigkeit verbunden ist.
Nachteilig ist aber, dass ein Teil der Betroffenen die Abschirmung der gesamten Wahrnehmung ablehnt, vor allem wenn sie subjektiv sehr ausgeprägt ist, und zur Einnahme des Neuroleptikums nur sehr ungern oder überhaupt nicht bereit ist, auch wenn damit ein erhöhtes Risiko einer erneuten Psychose verbunden sein kann. Eine gute Zusammenarbeit mit dem behandelnden Facharzt kann in den meisten Fällen zu einer allseits akzeptablen Verordnung führen.
Als Angehöriger können Sie dabei eine wichtige Unterstützung sein, auch wenn etliche Anläufe erforderlich sind – die erste Verordnung muss nicht immer die beste sein! Wenn Patienten zur Einnahme einer subjektiv unangenehmen Arznei gezwungen oder genötigt werden, kann die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit Ärzten und weiteren psychiatrischen Diensten unter Umständen langfristig gestört sein. Über die Akutbehandlung hinaus werden Neuroleptika auchz ur langfristigen Behandlung oder Vorbeugung eingesetzt. Auch hier können sie sehr nützlich sein, vielfach sogar unentbehrlich.
Angesichts der unangenehm erlebten Wirkung und der zumTeil ernsten Nebenwirkungen sollte die Langzeiteinnahme aber gut begründet sein, Ergänzungen und Alternativen wie Psychotherapie, Familienberatung, Rehabilitation und die vielfältigen gemeindepsychiatrischen Hilfen sollten einbezogen werden. Wenn es im Laufe der Zeit gelingt, sich psychisch und sozial ausreichend zu stabilisieren, sollte die Notwendigkeit einer weiteren neuroleptischen Behandlung in größeren Abständen immer wieder überprüft werden.
Für die Langzeitanwendung gibt es viele Neuroleptika – neben Tabletten oder Tropfen zum Einnehmen – auch als Depotspritzen zur intramuskulären Injektion. Die einzelne Spritze wirkt, je nach Zubereitung, eine oder mehrere Wochen lang, sodass zur Behandlung lediglich jeweils eine Injektion in diesen Abständen erforderlich ist. Wer die tägliche Tabletteneinnahme als lästig empfindet, kann die Depotspritze als Alternativewählen. Allerdings schwanken bei dieser Darreichungsform die Konzentrationen der Substanzen im Körper, die sogenannten "Blutspiegel", meist stärker als bei Tabletten. Deswegen können in den ersten Tagen nach der Spritze vermehrt Nebenwirkungen auftreten, oder kurz vor dem nächsten Injektionstermin kann die neuroleptische Abschirmung unzureichend sein. Dann sollten sich Patientin und Ärztin, eventuell mit Unterstützung von Angehörigen, über eine Anpassung der Verordnung verständigenoder auf Tabletten umsteigen.
Während die "hochpotenten" Neuroleptika vor allem die beschriebene antipsychotisch-abschirmende Wirkung haben, sind die sogenannten "schwach- oder niedrigpotenten" Substanzen vorwiegend dämpfend (sedierend) wirksam: Sie verlangsamen alle psychischen Vorgänge, vermindern den Eigenantrieb und machen müde. Ähnlich wie sedierende Antidepressiva können sie deswegen (auch bei nicht psychotischen Unruhezuständen oder Schlafstörungen) zur allgemeinen Beruhigung und zur Schlafförderung eingesetzt werden, auch in Kombination mit hochpotenten Neuroleptika.
Zwischen den hoch- und den niedrigpotenten gibt es noch die Gruppe der "mittelpotenten" Neuroleptika, die neben der weniger starken Abschirmung auch eine gewisse sedierende Wirkung haben. Ihre antipsychotische Wirkung reicht in vielen Fällen aus, außer bei ausgeprägtem psychotischem Erleben. Welche Substanz zu welcher dieser Gruppen gehört, sehen Sie unten. (...)
Die Einnahme von Neuroleptika ist für viele Menschen mit psychotischen Erkrankungen eine Angelegenheit von Jahren, weil siea uch nach Abklingen der akuten Symptomatik helfen können, erneute Psychosen zu vermeiden oder wenigstens abzuschwächen. Ob diese Vorbeugung tatsächlich weiterhin notwendig ist, sollt ein größeren Abständen überprüft werden.
Neuroleptika können viele, zum Teil ernsthafte Nebenwirkungen hervorrufen. Daher gehören Versuche, die Dosis zureduzieren oder die nicht mehr erforderliche neuroleptische Behandlung zu beenden, zu einer sorgfältigen Handhabung dieser Medikamentengruppe unbedingt dazu. Wichtigste Voraussetzungen für die Reduzierung oder Absetzung von Neuroleptika sind aber eine ausreichende psychische Stabilität und eine stabile Lebenssituation. Wer ohnehin ständig mit dem Aufflackern psychotischen Erlebens zu kämpfen hat, wird von einer Dosisreduktion oder einem Absetzen in der Regel nicht profitieren.
Zu empfehlen ist ein Vorgehen in kleinen Schritten: Die aktuelle Dosis sollte nur geringfügig vermindert werden, sodass der Unterschied kaum spürbar ist. Dann wäre über wenigstens einige Wochen zu beobachten, ob die neue Dosis ausreicht, bevor ein nächster Schritt erfolgt. Sollte eine Zunahme von Unruhe, Schlafstörungen oder anderen (prä-)psychotischen Frühwarnzeichen auftreten, ist eine vorübergehende Erhöhung der Dosis ratsam. Auf diese Weise kann man klären, ob und eventuell in welcher Dosis man das Neuroleptikum noch einnehmen sollte, um eine ausreichende psychische Stabilität zu behalten. Dafür braucht es allerdings einige Geduld und möglichst ein gutes Einvernehmen zwischen dem Patient, den wichtigsten Personen seiner Umgebung und behandelndem Arzt.
Um Ihnen eine erste Orientierung über die gebräuchlichen Neuroleptikazu geben, nennen wir Ihnen nachfolgend jeweils die Substanzen und (in Klammern) die bekanntesten Markennamen. Präparate, die auch als Depot zur Injektion erhältlich sind, sind kursiv gesetzt. Mit der alphabetischen Anordnung ist keine Wertung verbunden.
Benperidol (Glianimon®), Bromperidol (Impromen®), Fluphenazin (Dapotum®, Lyogen®), Flupentixol (Fluanxol®), Fluspirilen (Imap®), Haloperidol (Haldol®)
Perazin (Taxilan®), Perphenazin (Decentan®), Pimozid (Orap®), Zuclopenthixol(Ciatyl-Z®)
Chlorprothixen(Truxal®), Levomepromazin (Neurocil®), Melperon (Eunerpan®), Pipamperon (Dipiperon®), Promethazin (Atosil®), Thioridazin (Melleril®)
Letzte Aktualisierung: 02.08.2024