Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Wochenendrebellen

Seit vielen Jahren verfolge ich Jason und seinen Vater Mirco – im wirklichen Leben. Die beiden haben zusammen ein Buch geschrieben; sie haben einen Podcast und auch bei dem hier besprochenen Spielfilm mitgewirkt. Ich würde diese Geschichte nicht glauben, wenn ich sie nicht von Anfang an mitbekommen hätte.

Mirco ist ein viel beschäftigter Vater, der nur selten zu Hause ist. Vor allem die Mutter kümmert sich um den autistischen Sohn. Jason ist hochintelligent, möchte einmal Astrophysiker werden und läuft Gefahr, wegen seiner ständigen Ausraster in der Förderschule zu landen. Die Eltern treffen eine Abmachung mit ihm: Er lässt sich weniger provozieren, dafür hilft ihm der Vater bei der Suche nach einem Lieblingsfußballverein. An jedem Wochenende muss er von nun an mit seinem Sohn in ein Stadion irgendwo in Deutschland fahren, bis dieser seinen Verein gefunden hat. Der Junge stellt eine Liste auf, nach deren Kriterien er die Auswahl treffen will: keine bunten Schuhe, kein albernes Maskottchen, keine Flutlichtmasten zum Umklappen, behindertengerecht, umweltbewusst, keine Nazis als Fans … Das wird schwierig. Schwierig ist auch, dass Jason vor jeder Berührung zurückschreckt. Wie soll das gehen mit dem Abtasten vor jedem Spiel?

Fast grenzenlos sind die Probleme, die Ausraster und Unwägbarkeiten; grenzenlos sind auch die Umsicht und Geduld des Vaters. In meiner Lieblingsszene sitzen Jason, gespielt von dem umwerfenden Cecilio Andresen, und sein Vater (Florian David Fitz) endlich auf ihren Plätzen. Direkt hinter ihnen sieht man den echten Jason und seinen echten Vater. Es gibt einen kleinen Wortwechsel – ja, das Problem mit dem Lieblingsverein, das sei ihnen gut bekannt.

Vielleicht muss man ein Kenner der Fußball-Materie sein, um alle Spitzen zu verstehen. Eine kleine Ahnung von den Eigenheiten und Problemen der Menschen aus dem Autismusspektrum hat man am Ende auf jeden Fall. Jason ist anstrengend und nicht immer sympathisch. Der Film ist spannend, unterhaltsam und zeitweise quälend. Unglaublich, aber wahr.

Ilse Eichenbrenner in Soziale Psychiatrie

Letzte Aktualisierung: 02.06.2024