Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
Dachverband Gemeindepsychiatrie
Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen
Psychiatrie Verlag

Drogenabhängigkeit

Im Zusammenhang mit dem Gebrauch illegaler Drogen gelten nach der ICD-10 die gleichen Kriterien wie beim Alkohol, wenn es um die Diagnosen Missbrauch oder Abhängigkeit geht. Aber die körperlichen und seelischen Auswirkungen und die Entzugserscheinungen unterscheiden sich (...).

Auch für die Entstehung der Drogenabhängigkeit gilt, dass es sich um ein multifaktorielles Bedingungsgefüge zwischen Person, Droge und Umwelt handelt. In vielen Fällen werden heute außerdem, wie bei alkoholabhängigen Menschen neben der der Drogenabhängigkeit noch andere psychiatrische Diagnosen gestellt.

Diese Komorbiditätsproblematiken haben in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Man nimmt an, dass die psychische Störung entweder schon vor Entwicklung der Suchtproblematik bestanden hat und ein Faktor im Bedingungsgefüge der Suchtentwicklung ist oder in der Folge der Suchterkrankung entstanden ist. Letzteres wird vor allem bei Kokain- und Crack-Konsumenten beobachtet, die in den Einrichtungen zunehmend auffallen durch aggressives Verhalten, Psychosen und paranoide Ängste. Folgende psychiatrische Diagnosen werden im Zusammenhang mit einer Drogenabhängigkeit häufiger gestellt:

Vorgeschichten

In den Vorgeschichten wird besonders nach Risikofaktoren gesucht, die den Drogengebrauch begünstigt haben könnten. Aber der Weg in eine Drogenabhängigkeit ist mehr als das nacheinander folgende Auftreten einer Reihe von Risikofaktoren. Die Lebens- und Krankengeschichten fügen sich zusammen aus belastenden und protektiven Erfahrungen und den Spuren, die sie in der Innenwelt des Menschen hinterlassen haben: der Bedeutung der Drogen für den Konsumenten, ihren Wirkungen, ihren sozialen Folgen und zusätzlichen externen Bedingungen.

Bei Drogenabhängigen ist z. B. die Kriminalitäts- und Kriminalisierungsgeschichte eine Besonderheit, die spezifische Probleme mit sich bringt und auch auf den Behandlungsablauf und die Behandlungsbedingungen Einfluss hat. (...)

Risikoverhalten

Auch das jugendliche Risikoverhalten im Alter zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr entwickelt sich ganz unterschiedlich: Die später Abhängigen gaben öfter als die anderen an, Ärger wegen ihres Verhaltens bekommen zu haben. Auch hier kommt es zu Wechselwirkungen zwischen diesem Verhalten und den Reaktionen des Umfelds. Infolge der Benachteiligungen in der Kindheit sind weniger Ressourcen erworben und zur Verfügung gestellt worden und die soziale Kompensation solcher Mangelerfahrungen ist schwer geworden. Arbeitslosigkeit und mangelnde Hoffnung auf eine bessere Zukunft kommen dann dazu.

Illegalität

Einen besonderen Stellenwert in den Lebens- und Krankengeschichten hat die Illegalität. Sie spielt schon bei der Entscheidung zum Konsum eine Rolle, besonders bei den Jugendlichen, die sich in Auseinandersetzung mit familiären und gesellschaftlichen Normen und Regeln befinden. Die Illegalität beeinflusst das Selbstverständnis der jeweiligen Subkulturen, bestimmt die Konsummuster, führt zu besonderen Beschaffungsformen, zur Strafverfolgung und zu justiziellen Eingriffen in das Leben des Abhängigen, auch die sozialen Netze und die Helfer werden hierdurch tangiert.

Die Illegalität steht aber auch in Beziehung zu den besonderen gesundheitlichen Risiken, denen sich Drogenkonsumenten aussetzen: Die auf dem Schwarzmarkt verkauften Substanzen werden nicht kontrolliert und können durch Beimengungen lebensgefährlich sein, es gibt kaum Wissen über weniger gefährliche und weniger gesundheitsschädigende Gebrauchsarten (»safer use«). Unhygienische Bedingungen im Gefängnis oder auf der Szene sind mit gefährlichen Infektionsrisiken verbunden. (...)

Drogen und ihre Wirkungen

Die pharmakologischen Wirkungen der verschiedenen psychotropen Stoffe, ihre Auswirkungen auf den Körper und die Seele, ihr Suchtpotenzial, ihre toxischen Wirkungen sind ein entscheidender Faktor in dem komplexen Bedingungsgefüge der Entwicklung von problematischen Konsum- und Krankengeschichten.

Menschen möchten ihr Selbst- und Welterleben je nach ihren Bedürfnissen verändern – sich entweder beruhigen, stimulieren oder sich in einen anderen Bewusstseinszustand versetzen. Dies sind die drei Hauptwirkungen, die gesucht werden. Jede Substanzgruppe hat ihr eigenes Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum. Auch die Art und Stärke der Entzugserscheinungen sind sehr unterschiedlich. (...)

Gesundheitsschädlicher Gebrauch

Ob es beim Gebrauch von harten Drogen zu körperlichen Schäden kommt, hängt vor allem von der Art des Konsums und der Reinheit des Stoffes ab: Schwere Erkrankungen wie HIV-Infektion und Aids und die Hepatitis-B- und -C-Infektion werden beim Gebrauch von benutzten Injektionsnadeln übertragen. Intravenöser Gebrauch von Heroin ist gesundheitsschädlicher, als den Stoff auf Folie zu rauchen oder zu schnupfen (sniffen), die Konsumform, die die Holländer und Engländer vorwiegend praktizieren.

Ebenso verhält es sich mit dem Kokain. Auch hier gibt es unterschiedlich risikoreiche Gebrauchsformen: Die intravenöse Injektion und das Rauchen von Crack sind in ihrer Wirkung dramatischer als das Reinziehen über die Nase. Beim Cannabis sind es vor allem die Teerstoffe, die beim Rauchen eingeatmet werden, die Lungenerkrankungen hervorrufen können.

Medizinische Behandlung

Entgiftung

In Deutschland werden Entgiftungen meist stationär durchgeführt. In vielen  Suchtabteilungen psychiatrischer Kliniken gibt es spezielle Entgiftungsstationen für Drogenabhängige. Die Entzugserscheinungen sind im Allgemeinen nicht lebensbedrohlich (bei Alkoholikern ist dies eher der Fall), aber doch sehr unangenehm und schmerzhaft und überdies durch vorherigen  polytoxikomanen Gebrauch kompliziert.

Zum Entzugssyndrom bei Heroin und Methadon gehören, in unterschiedlicher Ausprägung, Opiathunger, intensives allgemeines Krankheitsgefühl, Kälte und Frösteln, Depressivität bis hin zur Suizidalität, Appetitverlust, motorische Unruhe, aggressive Gereiztheit, Schlaflosigkeit, Kreuz- und Wadenschmerzen, Pupillenerweiterung, Gähnen, Tränen- und Nasenfluss, Puls und Blutdruck steigen an, Hitzewallungen, Schwitzen, Fieber, Bauchschmerzen, Gänsehaut, Übelkeit, Erbrechen.

Substitution

Seit Beginn der 90er-Jahre ist in Deutschland die Substitution mit Ersatzstoffen für Heroin möglich. Die Substitution war lange umstritten, weil sie als Suchtverlängerung angesehen wurde, die vom Königsweg zur Abstinenz abbringt. Die rasante Zunahme der Ausbreitung von HIV-Infektionen bei Drogenabhängigen führte schließlich zum Umdenken. Inzwischen werden in Deutschland etwa 50 % der Heroinabhängigen substituiert.

Als Medikamente zur Substitution werden heute vor allem das Opiat Methadon und der Opiat-Agonist Subutex® eingesetzt. Beide Stoffe rufen im Gegensatz zu den anderen Opiaten keine Euphorie hervor. Methadon macht aber ebenso abhängig, Subutex® soll nicht abhängig machen.

Literatur

Internet

Letzte Aktualisierung: 22.03.2024